Eine psychische Erkrankung macht es im Job oft doppelt schwer. Durch Lücken im Lebenslauf werden viele Betroffene automatisch aussortiert. Damit es mit der Karriere trotzdem klappen kann, zeigen wir Ihnen, worauf man als Betroffener achten sollte.
Psychische Leiden sind noch immer ein Tabuthema, auch wenn sie bei fast jedem Dritten die Ursache für ein vorzeitiges Ausscheiden aus dem Berufsleben sind. Laut Bundesarbeitsministerium haben sich die Krankentage aufgrund psychischer Probleme in den Jahren 2007 bis 2017 mehr als verdoppelt. Waren es 2007 noch etwa 48 Millionen Fehltage aufgrund psychischer Erkrankungen pro Jahr, belief sich diese Zahl 2017 bereits auf 107 Millionen. Insgesamt ist eine psychische Erkrankung im Job für rund 19 Prozent aller Fehlzeiten verantwortlich – noch vor Rückenleiden und Erkältungen.
Ursachen für psychische Erkrankungen im Job
Generell kann nicht von einer bestimmten Ursache ausgegangen werden. Schließlich sind diese sehr individuell. Doch sowohl die Techniker Krankenkasse als auch der BKK Gesundheitsreport kamen zu dem Ergebnis, dass ein enormer Anstieg an psychischen Erkrankungen zu verzeichnen ist. Hierfür liegen in erster Linie folgende Gründe vor:
- Hohe Anforderungen an die Beschäftigten bei geringem Handlungsspielraum
- Erhöhte Anforderungen an die Beschäftigten bei geringer Gratifikation
- Leistungsdruck bei geringer sozialer Unterstützung
Druck und Stress im Job scheinen sich folglich negativ auszuwirken und psychische Erkrankungen zu begünstigen. Und tatsächlich scheint heutzutage das Stresslevel im Berufsleben anzusteigen. So ergab eine repräsentative Stressstudie der Techniker Krankenkasse (PDF 1,9 MB) aus dem Jahr 2016, dass rund zwei Drittel ihr Arbeitspensum als zu hoch empfinden würden. Und regelmäßig ergeben Umfragen des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), dass 30 Prozent der Befragten finden, ihre Arbeit sei in den vergangenen 12 Monaten intensiver geworden.
Das heißt nicht, dass es heute in jeder Hinsicht stressiger ist zu arbeiten. Die Arbeitsintensität und der Leistungsdruck sind im Vergleich nicht angestiegen. Genauso wenig ist der Anteil derer, die besonders schnell arbeiten müssen, größer. Es wird vermutet, dass der höhere Stresspegel darauf zurückzuführen ist, dass Arbeitnehmer heute im Schnitt älter und deswegen sensibler für Stress sind. Zum anderen sind wir sehr nahe an einer Vollbeschäftigung, weswegen sehr viele in Arbeit sind. Und letztlich wird die Freizeit oft weniger als Erholungsphase genutzt – viele sind auch nach der Arbeit noch erreichbar und verweilen so häufig im Standby-Modus.
Gesundheitsprävention vom Arbeitgeber
Einen möglichen Zusammenhang zwischen Job und psychischer Verfassung der Angestellten sieht nicht jeder Arbeitgeber. Dabei gibt es Maßnahmen, die man auch als Arbeitgeber ergreifen kann. So können schon ganz einfache Maßnahmen am Arbeitsplatz die Mitarbeiterzufriedenheit erhöhen und damit letztlich den Stress bei der Arbeit mindern. Wie sehr das zutrifft, zeigte eine Befragung von rund 4800 Angestellten aus der DACH-Region. Für ausgleichende Benefits wie Homeoffice und flexible Arbeitszeiten würden diese sogar durchschnittlich auf 11 Prozent ihres Gehalts verzichten. 16,8 Prozent der Befragten wünschten sich sogar ganz konkret Gesundheitsmaßnahmen wie beispielsweise Fitness-Angebote.
Welche Maßnahmen gibt es?
Es gibt weit mehr Möglichkeiten für Arbeitgeber als bloß die Förderung einer Mitgliedschaft im Fitnessstudio. Inzwischen bieten manche Unternehmen sogar Schlafräume an, in denen sich Mitarbeiter bei Bedarf ausruhen können. Doch auch ergonomische Tische und Bürostühle fallen unter Gesundheitsmaßnahmen. Auch die Kosten für Zusatzkrankenversicherungen können vom Arbeitgeber übernommen werden. Klingt unrealistisch? Davon profitiert letztlich auch der Arbeitgeber. Schließlich sind viele Maßnahmen auch steuerlich absetzbar. Darüber hinaus kann man so für eine höhere Mitarbeiterzufriedenheit sorgen und folglich die Mitarbeiter an sich binden. Schließlich ist eine hohe Mitarbeiterfluktuation auch mit hohen Kosten für den Arbeitgeber verbunden.
Besonders auf sich selbst achten
Wer bereits psychisch erkrankt ist weiß, dass es nicht genügt, sich darauf zu verlassen, dass der Arbeitgeber Ressourcen zur Verfügung stellt. Vielmehr kommt es darauf an, die eigenen Warnsignale gut zu erkennen und angemessen auf sie zu reagieren. Stress gänzlich zu vermeiden, wird wohl in keinem Job möglich sein. Stattdessen kann man jedoch versuchen, achtsamer zu sein und so für Ausgleich zu sorgen. Das gelingt beispielsweise, indem man regelmäßig Pausen einlegt, um auf andere Gedanken zu kommen. Idealerweise verbringt man die Pausen also nicht allein, sondern mit anderen Kollegen. Sonst läuft man Gefahr, die Pause mit dem Smartphone zu vergeuden und den Kopf gar nicht abzuschalten. Lohnenswert kann außerdem ein sogenanntes Erfolgstagebuch sein. Dieses hilft dabei, sich persönliche Erfolge und Meilensteine besser vor Augen zu führen. Ein solches Tagebuch finden Sie hier zum Download (PDF 352 KB).
Signale für psychische Erkrankung im Job erkennen
Häufig zeigen sich erst körperliche Symptome, bevor eine psychische Erkrankung in Erscheinung tritt. Das können beispielsweise Schmerzen, Herz-Kreislauf-Probleme oder Probleme mit dem Magen-Darm-Trakt sein. Doch auch andere Symptome wie extreme Müdigkeit, Gedächtnisprobleme und eine geringe Stresstoleranz sollten jeden aufhorchen lassen. Schließlich kündigt sich so auch ein Burnout an. Grundsätzlich gilt: Wer plötzlich und anhaltend mit gesundheitlichen Problemen zu kämpfen hat, sollte diese keinesfalls auf die leichte Schulter nehmen!
Was erzählt man dem Chef?
Die meisten, die an einer psychischen Erkrankung leiden, sprechen sowieso nicht gern darüber. Wer betroffen ist, sollte sich auch genau überlegen, wen er ins Vertrauen holt und vor allem wie. Denn wer psychisch erkrankt und eine Therapie beginnt, muss viele Informationen nicht zwangsläufig mit dem Arbeitgeber teilen. Das ist auch gar nicht notwendig, solange dies den Chef nicht in irgendeiner Form betrifft. Es gilt: Wer krank wird – egal wie und woran – muss diese Informationen nur dann mitteilen, wenn dies die eigene Arbeit beeinträchtigt. Zugleich sollte man darauf achten, dass man solche Informationen nicht unwissentlich mitteilt, etwa in Form einer Krankmeldung. Diese darf zwar keinesfalls eine Diagnose enthalten, allerdings genügt es ja bereits, den Namen des behandelnden Arztes zu googlen, wenn man wissen will, um was für einen Arzt es sich handelt.
Kollegen psychische Erkrankung im Job mitteilen
Wenn Sie Ihre Kollegen unbedingt einweihen möchten, machen Sie am besten reinen Tisch. Wenn Sie nur ein paar Leuten davon erzählen, macht dies vielleicht die Runde. Außerdem fühlen sich möglicherweise Kollegen übergangen, die Sie nicht eingeweiht haben. Natürlich können Sie es auch nur einer Person Ihres Vertrauens mitteilen. Wägen Sie jedoch erst gut ab, ob Sie auch damit leben können, wenn doch Andere davon erfahren und welche Konsequenzen dies nach sich ziehen könnte.
Den Job mit Bedacht wählen
Es gibt Berufe, mit denen auffallend häufig Erkrankungen einhergehen. Zwar muss eine psychische Erkrankung kein Hindernis darstellen, jedoch sollte man eventuell Jobs meiden, die ohnehin häufig erkrankte Mitarbeiter hervorbringen. Psychische Erkrankungen häufen sich in folgenden Berufen:
- Bus & Straßenbahnfahrer
- Sozialverwaltung und ‑versicherung
- Altenpflege
- Gesundheits- und Krankenpflege
- Haus- und Familienpflege
- Berufe in der Erziehungswissenschaft
- Heilerziehungspflege & Sonderpädagogik
- Kinderbetreuung & ‑erziehung
- Objekt‑, Werte- und Personenschutz
- Dialogmarketing
Allerdings besteht an dieser Stelle auch ein Henne-Ei-Problem – schließlich ist unklar, ob diese Jobs die Erkrankungen hervorbringen. Denkbar ist auch, dass sich Menschen mit psychischen Erkrankungen zu diesen Jobs hingezogen fühlen, weil der Wiedereinstieg verhältnismäßig einfach ist (z. B. in der Pflege).
Der Umgang im laufenden Bewerbungsverfahren
Auch im laufenden Bewerbungsverfahren muss man nicht die Karten auf den Tisch legen. Hier gibt es ganz klare gesetzliche Bestimmungen, was von Arbeitgeberseite gestattet ist. Nicht zulässig sind Fragen zu:
- dem aktuellen Gesundheitszustand
- einer vorhandenen Behinderung
- vergangenen Erkrankungen (inklusive Dauer) oder
- Krankheiten in der Familie
Ein Arbeitgeber darf nur in zwei Fällen nach dem gesundheitlichen Zustand fragen: nämlich wenn entweder eine ansteckende Krankheit vorliegen könnte, die die anderen Arbeitnehmer gefährden könnte oder wenn eine Behinderung die Ausübung einer Tätigkeit verhindern würde. Da dies jedoch bei psychischen Erkrankungen nicht zutreffend ist, ist man auch nicht verpflichtet, einen Arbeitgeber darauf hinzuweisen bzw. ihn einzuweihen.
Lücken im Lebenslauf gut erklärt
Gestattet ist einem Arbeitgeber dagegen, beim Lebenslauf genauer hinzuschauen und bei Auffälligkeiten zum Werdegang Rückfragen zu stellen. Lücken von ein oder zwei Monaten sind nicht allzu kritisch. Doch sollten Sie über längere Zeiträume hinweg keinen Job gehabt haben, müssen Sie dies erklären können. Hier bestehen drei Möglichkeiten:
- Die Wahrheit: Hiervon ist im Falle von psychischen Erkrankungen eher abzuraten. Zu hoch ist das Risiko, dass ein Arbeitgeber Sie gleich ins Aus befördert, weil er befürchtet, Sie könnten ausfallen.
- Die Orientierungsphase: Lügen Sie einfach. Immerhin ist es erlaubt. Sagen Sie beispielsweise, dass Sie gereist sind oder dass Sie sich umorientiert haben. Allerdings funktioniert diese Taktik nicht, wenn Ihr Lebenslauf mehrere Lücken aufweist.
- Der Mittelweg: Halten Sie Ihre Antwort einfach vage. Sagen Sie z. B., dass es Ihnen gesundheitlich nicht gut ging, Sie aber wieder genesen seien. Halten Sie jedoch eine Antwort bereit für den Fall, dass hier unrechtmäßig nachgehakt wird.
Psychische Erkrankung im Job: Erfolgreich sein geht auch so!
Ein Team US-amerikanischer Wissenschaftler, das die Berufskarrieren von 347 psychisch Erkrankten mitverfolgt hat, kam zu dem Ergebnis, dass es auch mit schweren psychischen Leiden wie etwa bipolaren Störungen möglich ist, eine Karriere aufzubauen und zu verfolgen. Trotz des Handicaps unterschieden sich die Karrieren der Teilnehmer kaum von denen Nichtbetroffener. Sie verdienten entsprechend ihren Positionen und blieben teilweise jahrelang beschäftigt.
Zu bedenken ist auch, dass es verschiedene Möglichkeiten gibt, Menschen mit Erkrankungen jeglicher Art wieder in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Angefangen bei Maßnahmen zur Förderung der Teilhabe am Arbeitsmarkt bis hin zu Ausbildungen bei privaten Bildungsträgern oder im Berufsförderungswerk. Wer sich hier Unterstützung wünscht, kann sich u. a. an das jeweils zuständige Jobcenter wenden. Auch bei uns gibt es Möglichkeiten der beruflichen Qualifizierung sowie Maßnahmen zur Unterstützung auf dem Weg zurück ins Berufsleben. Wenn Sie hierbei Unterstützung benötigen, zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren!
Fazit
Zugegebenermaßen ist es für Menschen mit psychischen Erkrankungen nicht gerade einfacher, sich eine Karriere aufzubauen. Doch wer mit einer psychischen Erkrankung zu kämpfen hat, muss im Hinblick auf den Job trotzdem nicht gleich den Kopf in den Sand stecken. Schließlich gibt es eine ganze Reihe von Möglichkeiten, wie man trotz psychischer Einschränkungen seine eigene Karriere aufbauen kann. Der Schlüssel zum Erfolg liegt jedoch darin: Achten Sie auf Ihr eigenes Warnsystem! Wer ohnehin psychisch erkrankt ist, muss mehr als andere darauf achten, was ihn überfordert und für genügend Ausgleich sorgen. Wenn dies jedoch gegeben ist, spricht nichts dagegen, dass man auch mit Erkrankung im Beruf erfolgreich sein kann.