Kein Glück bei der Ausbildungsplatzsuche trotz freier Lehrstellen

Arbeitswelt
Junge Frau hat kein Glück bei der Ausbildungsplatzsuche

Jahr für Jahr liest man, dass Betrie­be in Deutsch­land ver­ge­bens nach Aus­zu­bil­den­den suchen und freie Lehr­stel­len oft unbe­setzt blei­ben. Wie kann es sein, dass den­noch so vie­le Bewer­ber bei der Aus­bil­dungs­platz­su­che leer ausgehen?

Auch wenn vie­le Betrie­be über feh­len­de Bewer­bun­gen kla­gen – auch die Situa­ti­on für Bewer­ber ist nicht gera­de ein­fach. Seit 2010 hat sich die Anzahl der ver­geb­li­chen Bewer­bun­gen um einen Aus­bil­dungs­platz genau genom­men ver­dop­pelt. Dem­nach waren es 2010/11 noch 11.344 Bewer­ber, die kei­ne Lehr­stel­le gefun­den hat­ten; die­se Zahl stieg 2016/17 jedoch auf 23.712 Bewer­ber an. Dabei ist die tat­säch­li­che Zahl wahr­schein­lich sogar noch höher, da sie all die­je­ni­gen nicht mit ein­schließt, die ein Frei­wil­li­ges Sozia­les Jahr (FSJ), ein Prak­ti­kum oder eine Maß­nah­me der Agen­tur für Arbeit oder des Job­cen­ters absolvieren.

Jeder dritte Betrieb findet keinen Lehrling

Dem­ge­gen­über steht die Mel­dung, dass fast jeder drit­te Betrieb in Deutsch­land kei­nen Azu­bi fin­det. Dies ging aus einer Befra­gung der Deut­schen Indus­trie- und Han­dels­kam­mer (DIHK) her­vor. Dem­nach hat­ten 34 Pro­zent der befrag­ten Fir­men 2017 kei­nen Aus­zu­bil­den­den gefun­den und rund jeder zehn­te Betrieb nicht ein­mal eine Bewer­bung erhal­ten. Laut Prä­si­dent der Deut­schen Indus­trie- und Han­dels­kam­mer Eric Schweit­zer sei dies der höchs­te jemals in einer Aus­bil­dungs­um­fra­ge gemes­se­ne Wert. Rund 10.300 Unter­neh­men hat­ten sich an der Online-Umfra­ge beteiligt.

Fachkräftemangel verantwortlich für freie Stellen

Erzie­her, Pfle­ger, Mecha­tro­ni­ker, Fach­in­for­ma­ti­ker und Köche wer­den genau­so drin­gend gesucht wie Hand­wer­ker. Der Zen­tral­ver­band des Deut­schen Hand­werks beklagt 150.000 freie Stel­len. Zudem man­gelt es jedes Jahr an rund 20.000 Azu­bis. Ver­stärkt wer­de die­ser Effekt dadurch, dass vie­le erfah­re­ne Fach­kräf­te aktu­ell in Ren­te gehen. Dadurch kommt es in die­sen Bran­chen zusätz­lich zu neu aus­ge­schrie­be­nen Aus­bil­dungs­stel­len, die jedoch nicht auf ein glei­cher­ma­ßen ange­stie­ge­nes Inter­es­se sto­ßen, um den Bedarf auszugleichen.

Passungsprobleme erschweren die Ausbildungsplatzsuche

Eine mög­li­che Ant­wort auf die Fra­ge, wie­so so vie­le Lehr­stel­len frei und Bewer­ber ohne Aus­bil­dung sei­en, lau­tet: Es lie­gen soge­nann­te Pas­sungs­pro­ble­me vor. Das bedeu­tet, dass es von der rei­nen Anzahl her zwar freie Aus­bil­dungs­plät­ze gibt, aller­dings decken die­se sich nicht mit den Berufs­fel­dern, für die sich auch Bewer­ber finden.

Hohe Ansprüche der Unternehmen

Ein zusätz­li­ches Pro­blem stel­len die ver­gleichs­wei­se hohen Ansprü­che der Unter­neh­men dar. Vie­le Unter­neh­men ent­schei­den sich lie­ber dage­gen, einen Aus­zu­bil­den­den ein­zu­stel­len, statt sich für jeman­den zu ent­schei­den, des­sen Qua­li­fi­ka­tio­nen nicht zu dem Wunsch­pro­fil pas­sen. Vie­le Betrie­be suchen gezielt nach Stu­di­en­ab­bre­chern, um ihre Aus­bil­dungs­stel­len zu beset­zen. Anschei­nend mit Erfolg: Fast jeder drit­te Stu­dent bricht sein Stu­di­um ab; 43 Pro­zent von ihnen neh­men ein hal­bes Jahr spä­ter eine Berufs­aus­bil­dung auf.

Hohe Ansprüche auf Seiten der Bewerber

Doch auch auf Bewer­ber­sei­te sind die Ansprü­che hoch. Die meis­ten ken­nen sich im Detail mit den ver­schie­de­nen Aus­bil­dungs­be­ru­fen gar nicht aus. So sind eini­ge Aus­bil­dungs­be­ru­fe wie Kauf­frau/-mann für Büro­ma­nage­ment oder Kfz-Mecha­tro­ni­ker beson­ders beliebt und dem­entspre­chend vie­le Bewer­bun­gen kom­men auf einen Aus­bil­dungs­platz. Dabei ori­en­tie­ren sich Bewer­ber oft­mals dar­an, wie viel Geld sie ver­die­nen möch­ten und weni­ger dar­an, ob die Tätig­keit auch zu ihnen passt oder sie die Qua­li­fi­ka­tio­nen erfül­len. Ver­meint­lich weni­ger anspruchs­vol­le Tätig­kei­ten, zum Bei­spiel im Gast­ge­wer­be, ste­hen dage­gen nicht hoch im Kurs. Der Aus­bil­dungs­markt in Deutsch­land hat jedoch weit­aus mehr zu bie­ten: Rund 450 Aus­bil­dungs­be­ru­fe gibt es in Deutsch­land ins­ge­samt. Bei BERUFENET fin­det man eine Über­sicht über die Aus­bil­dungs­be­ru­fe in Deutschland.

Mehr Flexibilität vonnöten

Wer bis­lang nicht fün­dig gewor­den ist, der soll­te daher etwas fle­xi­bler sein. Es hilft, sich auch zu ande­ren Aus­bil­dungs­be­ru­fen kun­dig zu machen. Oft ist hier eine sinn­vol­le Alter­na­ti­ve mög­lich. Denk­bar ist auch, dass sich dar­un­ter dann der eigent­li­che Traum­be­ruf erst fin­det. Wer hin­sicht­lich sei­nes Arbeits­or­tes nicht ganz so fest­ge­legt und bereit ist, mit Bus, Bahn oder dem Auto anzu­rei­sen, hat bes­se­re Chan­cen. Beden­ken Sie: Die Aus­bil­dungs­zeit ist begrenzt. Selbst wenn der Aus­bil­dungs­be­trieb nicht gleich um die Ecke sein soll­te, kön­nen Sie dies für die Dau­er der Aus­bil­dung sicher­lich hin­neh­men. Nach erfolg­rei­chem Abschluss haben Sie als Fach­kraft schließ­lich auch ganz ande­re Chan­cen auf dem Arbeitsmarkt.

Hindernisse bei der Ausbildungsplatzsuche

Bewer­bern, die kei­nen Aus­bil­dungs­be­trieb fin­den, ste­hen oft­mals fol­gen­de drei Din­ge im Weg:

• Der Bewer­ber ist älter als 20 Jahre,
• er stammt aus dem Aus­land und/oder
• er hat ledig­lich einen Hauptschulabschluss.

Wer also bis­her kei­nen Erfolg hat­te, kann bei­spiels­wei­se dar­über nach­den­ken, einen höhe­ren Schul­ab­schluss zu erwer­ben und so sei­ne Chan­cen verbessern.

Fehlender Wille erschwert die Suche 

Was so sim­pel klingt, ist tat­säch­lich ein ent­schei­den­der Fak­tor, ob nun bei der Aus­bil­dungs­platz­su­che oder bei der Job­su­che: Vie­le las­sen sich von der Suche nach einer Aus­bil­dungs­stel­le und damit ver­bun­de­nen Rück­schlä­gen zu leicht abschre­cken. Denn die Suche allein kann schon viel Zeit in Anspruch neh­men, gera­de wenn wei­te­re Hin­der­nis­se vor­lie­gen. Das ist bei­spiels­wei­se dann der Fall, wenn der Schul­ab­schluss schlech­ter ist als es von Arbeit­ge­bern in dem Berufs­feld gewünscht wird.

Doch wie zeigt man, dass man es wirk­lich will? Das kann pas­sie­ren, indem man tele­fo­nisch Kon­takt zu Fir­men auf­nimmt und sich zu Per­so­nal­ver­ant­wort­li­chen durch­stel­len lässt. Alter­na­tiv kann man sei­ne Fähig­kei­ten auch im Rah­men von Arbeits­er­pro­bun­gen unter Beweis stel­len, um einen Fuß in die Tür zu bekommen.

Formfehler vermeiden

Doch auch wer einen lücken­lo­sen Wer­de­gang vor­zu­wei­sen hat, kann es unter bestimm­ten Vor­aus­set­zun­gen bei der Aus­bil­dungs­platz­su­che schwer haben, etwa wenn die Qua­li­tät der Bewer­bungs­un­ter­la­gen unge­nü­gend ist. Vie­le glau­ben zwar nicht, dass Feh­ler in den Bewer­bungs­un­ter­la­gen eine so gro­ße Bedeu­tung haben, doch Vor­sicht: Ihre Bewer­bungs­map­pe ist schließ­lich Ihr Aus­hän­ge­schild und ver­mit­telt den aller­ers­ten Ein­druck von Ihnen. Von der Güte der Unter­la­gen hängt folg­lich ab, wie man Sie wahr­nimmt. In unse­rem Arti­kel Selbst­ver­mark­tung: Stra­te­gien für die per­fek­te Bewer­bung haben wir für Sie bereits Tipps für die idea­le Bewer­bung zusammengestellt.

Zeit der Suche aktiv nutzen

Wer nicht gleich fün­dig wird, kann die Zeit der Aus­bil­dungs­platz­su­che auch dazu zu nut­zen, Wis­sen im ange­streb­ten Berufs­feld zu erlan­gen. Wer zum Bei­spiel eine Aus­bil­dung zum Fach­in­for­ma­ti­ker für Anwen­dungs­ent­wick­lung machen möch­te, kann erwä­gen, eine (zusätz­li­che) Pro­gram­mier­spra­che zu erler­nen. Bewirbt man sich für einen kauf­män­ni­schen Beruf, so sind Kennt­nis­se im Umgang mit den MS Office-Pro­duk­ten ide­al. So bie­ten vie­le Bil­dungs­trä­ger die Mög­lich­keit, sich wei­ter­zu­bil­den. Die Kos­ten dafür kön­nen vom jewei­li­gen Job­cen­ter oder der Agen­tur für Arbeit ggf. in Form eines soge­nann­ten Bil­dungs­gut­scheins oder eines Akti­vie­rungs- und Ver­mitt­lungs­gut­scheins (AVGS) über­nom­men werden.

Last Minute zur Berufsausbildung

Kurz­fris­tig besteht oft­mals noch die Mög­lich­keit, einen Aus­bil­dungs­platz zu ergat­tern. Dafür wer­den zum Bei­spiel eigens dafür orga­ni­sier­te Last Minu­te-Ver­an­stal­tun­gen ins Leben geru­fen, um Aus­bil­dungs­be­trie­be und Aus­bil­dungs­platz­su­chen­de zusam­men­zu­brin­gen. Dazu ver­an­stal­ten in vie­len Städ­ten die Indus­trie- und Han­dels­kam­mern soge­nann­te Speed­da­tings. Die­se fin­den oft­mals im Früh­jahr zwi­schen Febru­ar und April statt, um vor Beginn des Aus­bil­dungs­jah­res noch eini­ge Aus­bil­dungs­platz­su­chen­de zu vermitteln.

Alternativen zur Berufsausbildung

Soll­ten all Ihre Bemü­hun­gen nicht zu posi­ti­ven Reso­nan­zen füh­ren, dann grä­men Sie sich nicht. Über­le­gen Sie lie­ber, wel­che Alter­na­ti­ven sich Ihnen bie­ten und wie Sie Ihre Zukunft aktiv gestal­ten möch­ten. Denn es gibt durch­aus Mög­lich­kei­ten, die Zeit bis zum nächs­ten Aus­bil­dungs­jahr sinn­voll zu überbrücken.

1. Weiterführende Schule

Wer einen Haupt­schul­ab­schluss oder einen mitt­le­ren Schul­ab­schluss besitzt, kann die Zeit der Aus­bil­dungs­platz­su­che nut­zen, um einen höhe­ren Schul­ab­schluss zu erwer­ben. So erhö­hen Sie Ihre Chan­cen auf einen Aus­bil­dungs­platz und eröff­nen sich zugleich ganz neue Möglichkeiten!

2. Fachhochschule / Universität

Wenn Sie die Schu­le mit der Fach­hoch­schul­rei­fe oder dem Abitur abge­schlos­sen haben, kön­nen Sie sich auch bezüg­lich der Mög­lich­keit eines Stu­di­ums erkun­di­gen. Mög­li­cher­wei­se exis­tiert ja ein Stu­di­en­gang, um in das von Ihnen gewünsch­te Berufs­feld zu gelan­gen. Doch Vor­sicht: Vie­le Stu­den­ten bre­chen ihr Stu­di­um wie­der ab, weil sie im Stu­di­um die Pra­xis ver­mis­sen. Daher soll­ten Sie sich vor Auf­nah­me eines Stu­di­ums mit der Umge­bung ver­traut machen und sich schon ein­mal ein paar Ver­an­stal­tun­gen in einer Hoch­schu­le Ihrer Wahl ansehen.

3. Berufsfachschule

Je nach Berufs­feld besteht die Mög­lich­keit, eine Berufs­aus­bil­dung ganz oder teil­wei­se an einer Berufs­fach­schu­le zu absol­vie­ren. Dies ist in vie­len Beru­fen im kauf­män­ni­schen, aber auch im hand­werk­li­chen oder sozia­len Bereich möglich.

4. Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ)

Ein Frei­wil­li­ges Sozia­les Jahr kann eben­falls eine sinn­vol­le Über­brü­ckung dar­stel­len und die Gele­gen­heit bie­ten, bereits ers­te Ein­drü­cke im sozia­len Bereich zu erlan­gen. Zugleich bie­tet es Unent­schlos­se­nen die Mög­lich­keit, noch ein Jahr genau­er zu über­le­gen, was sie machen kön­nen und möchten.

6. Führerscheinerwerb

Wer die Zeit und die finan­zi­el­len Mit­tel hat, soll­te unbe­dingt erwä­gen, den Füh­rer­schein Klas­se B zu erwer­ben. Damit erhö­hen Sie nicht nur Ihre Mobi­li­tät – bei vie­len Beru­fen wird der Besitz eines Füh­rer­scheins schlicht­weg vor­aus­ge­setzt. Hier fin­den Sie übri­gens vie­le nütz­li­che Tipps zum Führerscheinerwerb.

7. Berufserfahrung

Natür­lich kön­nen Sie auch erst ein­mal anfan­gen zu arbei­ten und auf die­sem Weg Pra­xis­kennt­nis­se erlan­gen. So kön­nen Sie als Bewer­ber ent­we­der durch das bereits vor­han­de­ne Wis­sen an Attrak­ti­vi­tät gewin­nen oder aber über die Berufs­tä­tig­keit einen Aus­bil­dungs­be­trieb fin­den. Übri­gens: Wenn man Berufs­er­fah­rung in einem bestimm­ten Berufs­feld erlangt hat und dies durch einen Betrieb beschei­nigt bekommt, besteht die Mög­lich­keit, im Rah­men einer Exter­nen­prü­fung die Prü­fung zu einem Aus­bil­dungs­be­ruf bei der IHK oder HWK abzu­le­gen. Vor­aus­set­zung ist, dass man min­des­tens das Ein­ein­halb­fa­che der vor­ge­schrie­be­nen Aus­bil­dungs­zeit in dem Beruf tätig war.

8. Fremdsprachen lernen

Vie­le Arbeit­ge­ber wün­schen sich, dass ihre Ange­stell­ten Eng­lisch gut oder sogar sehr gut beherr­schen oder Kennt­nis­se in einer wei­te­ren Fremd­spra­che vor­wei­sen kön­nen. Sie könn­ten die Zeit daher nut­zen, um Sprach­kur­se zu besu­chen und Zer­ti­fi­ka­te zu erwer­ben. Wer möch­te, kann schließ­lich auch einen TOEFL-Test oder TOEIC-Test able­gen und sich die erwor­be­nen sprach­li­chen Kom­pe­ten­zen so beschei­ni­gen las­sen. Aller­dings sind der­lei Tests mit ver­gleichs­wei­se hohen Kos­ten ver­bun­den. Der TOEFL-Test dau­ert etwa vier Stun­den und kos­tet knapp 250 Euro. Wäh­rend er eher für den aka­de­mi­schen Bereich gedacht ist und von vie­len Uni­ver­si­tä­ten vor­aus­ge­setzt wird, wer­den beim TOEIC-Test eher berufs­sprach­li­che Fähig­kei­ten über­prüft. Der TOEIC-Test dau­ert zwei Stun­den und kos­tet zwi­schen 100 und 150 Euro.

Fazit

Vie­le Betrie­be suchen ver­ge­bens nach Aus­zu­bil­den­den, wäh­rend auch vie­le Schul­ab­gän­ger bei der Aus­bil­dungs­platz­su­che schei­tern. Die Lösung ist dabei ver­hält­nis­mä­ßig ein­fach: Mehr Fle­xi­bi­li­tät (auf bei­den Sei­ten) könn­te da ganz ein­fach Abhil­fe schaf­fen. Wenn Sie also zu den­je­ni­gen gehö­ren, die bis­lang kei­nen Aus­bil­dungs­platz gefun­den haben, über­le­gen Sie noch ein­mal genau, wor­an es lie­gen könn­te, und ob Sie wirk­lich an Ihrem bis­he­ri­gen Berufs­wunsch fest­hal­ten möch­ten. Schließ­lich gibt es auch vie­le attrak­ti­ve Alternativen!

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