In Deutschland herrscht ein gravierender Lehrermangel. Der Deutsche Lehrerverband spricht sogar vom schlimmsten Lehrermangel seit 30 Jahren. Rund 40.000 Lehrer fehlen an deutschen Schulen. Das bietet Chancen für Quer- und Seiteneinsteiger.
Zum Schuljahresbeginn in Deutschland sind laut Aussage des Deutschen Lehrerverbandes rund 10.000 Stellen als Lehrkräfte gar nicht besetzt. 30.000 Stellen wurden dagegen notdürftig mit Nichtlehrern, Seiteneinsteigern, Pensionisten und Studenten besetzt. Um die Unterrichtsversorgung in den Bundesländern sicherstellen zu können, müssen aktuell auch Personen eingestellt werden, die keine klassische Lehrerausbildung absolviert haben. Laut Heinz-Peter Meidinger, Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, sei die Situation besonders kritisch an Grund- und Förderschulen.
Zudem bestehen auch regionale Unterschiede. Demnach wird in Ländern wie Berlin oder Sachsen tatsächlich schon von einem Bildungsnotstand gesprochen. Hier hat mit 70 Prozent Anteil die überwiegende Mehrheit der eingestellten Lehrer gar keinen pädagogischen Abschluss.
Bildungsnotstand steht zur Debatte
Zum Start des neuen Schuljahres ist der Lehrermangel sogar so ausgeprägt, dass laut der Vorsitzenden der Bildungsgewerkschaft GEW, Marlis Tepe, von einem Bildungsnotstand gesprochen werden könnte. Die Folge des Lehrermangels: Es kommt gehäuft zu Unterrichtsausfällen an den Schulen.
Sie sieht jedoch nicht nur das Problem der fehlenden Lehrkräfte, sondern betrachtet es auch als problematisch, dass z. B. in Sachsen die Hälfte der neu eingestellten Kollegen keine Lehrerausbildung haben. Die Gefahr besteht, dass die Qualität des Unterrichts und somit letztendlich die Schüler darunter leiden.
Weniger Lehrer, dafür mehr Schüler
Während der Lehrermangel extreme Ausmaße annimmt, gibt es zugleich jedoch immer mehr Schüler, die bundesweit in Schulen versorgt werden müssen – Tendenz steigend. Die Zahl der Schüler soll bis 2030 sogar bundesweit um 278.000 auf 11,2 Millionen steigen. Das seien über zwei Prozent mehr als 2016, wie die Kultusministerkonferenz (KMK) im Mai mitteilte. Grund dafür ist neben der Zuwanderung auch die gestiegene Geburtenrate.
Immer mehr Quereinsteiger an den Schulen
Um dem personellen Mangel entgegenzusteuern, sollen künftig daher auch verstärkt alternative Wege beschritten werden. So werden auch Quereinsteiger im Lehrbetrieb eingesetzt – beispielsweise springen Chemiekanten als Chemielehrer ein. In Thüringen dagegen sollen künftig z. B. Hort-Mitarbeiterinnen mit DDR-Abschluss – sogenannte Hortnerinnen – in Schulen eingesetzt werden.
Zusätzlich wird mit der Möglichkeit einer berufsbegleitenden Ausbildung für Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteiger der Weg für all jene geebnet, die auch ohne pädagogischen Abschluss als Lehrer tätig werden wollen. Möglich ist das durch das Lehrerausbildungsgesetz vom 12. Mai 2009 (PDF 123 KB), in welchem die Eckpunkte einer berufsbegleitenden Ausbildung festgehalten sind.
Voraussetzungen für den Seiteneinstieg
Doch natürlich ist die Möglichkeit des Seiteneinstiegs dennoch an bestimmte Voraussetzungen geknüpft. In den meisten Bundesländern benötigt man hierfür:
- einen an einer Universität erworbenen Hochschulabschluss, der auf einer Regelstudienzeit von insgesamt mindestens acht Semestern beruht und keinen Zugang zu einem Vorbereitungsdienst nach § 5 Lehrerausbildungsgesetz eröffnet.
- eine mindestens zweijährige Berufstätigkeit oder eine mindestens zweijährige Betreuung eines minderjährigen Kindes nach Abschluss des Hochschulstudiums.
- die für die Unterrichts- und Erziehungstätigkeit erforderlichen deutschen Sprachkenntnisse.
- eine im Rahmen eines Auswahlverfahrens erfolgte positive Prognose über den Ausbildungserfolg mit Anstellung in den Schuldienst im Tarifbeschäftigungsverhältnis.
Das bedeutet, dass man im Vorfeld bereits eine Stelle bzw. Schule gefunden haben muss, die eine Stelle als Seiteneinsteiger zusagt. Erst dann kann man überhaupt an der berufsbegleitenden Ausbildung teilnehmen.
Vier Wege in den Lehrberuf
Grundsätzlich gibt es für Seiteneinsteiger vier Wege in den Schuldienst:
- Man kann sowohl einen Hochschulabschluss als auch eine mindestens zweijährige Berufstätigkeit/Betreuung eines minderjährigen Kindes und die erforderlichen deutschen Sprachkenntnisse nachweisen und es erfolgte eine positive Prognose über den Ausbildungserfolg mit Anstellung in den Schuldienst. Im Anschluss an den berufsbegleitenden Vorbereitungsdienst besteht die Möglichkeit der Verbeamtung und man erwirbt die Lehramtsbefähigung, die einen mit einer ausgebildeten Lehrkraft gleichstellt.
- Wenn man eine der oben genannten Voraussetzungen nicht erfüllt, besteht die Möglichkeit, eine einjährige pädagogische Einführung zu absolvieren und damit eine Unterrichtserlaubnis für das der Einstellung zu Grunde liegende Fach zu erwerben. In diesem Fall besteht jedoch nicht die Möglichkeit einer Verbeamtung und man erlangt am Ende nicht die grundsätzliche Lehramtsbefähigung, sondern lediglich eine unbefristete Anstellung.
- Man besitzt einen Fachhochschulabschluss und wird an einem Berufskolleg in ausgewählten technischen Fachrichtungen (Maschinenbautechnik, Elektrotechnik, Fahrzeugtechnik und Chemietechnik) eingestellt. Dann besteht die Möglichkeit, einen dualen Studiengang mit Abschluss Master of Education und daraufhin einen 18-monatigen berufsbegleitenden Vorbereitungsdienst zu durchlaufen. Schließt man die Ausbildung mit Erfolg ab, erwirbt man die Lehramtsbefähigung und die Chance auf eine Verbeamtung.
- An Schulformen der Sekundarstufe I, also an Haupt‑, Real‑, Gesamtschulen und Gymnasien, ist auch eine Einstellung mit einer fachspezifischen Ausbildung möglich, also zum Beispiel mit einer Meisterprüfung. In diesem Fall durchläuft man ebenfalls eine ein Jahr andauernde pädagogische Einführung.
An welchen Schulen ist der Seiteneinstieg möglich?
Da aktuell dringend Lehrer gesucht werden, besteht die Möglichkeit eines Seiteneinstiegs sowohl an Hauptschulen, Realschulen, Gesamtschulen, Sekundarschulen, Gemeinschaftsschulen (Schulversuch), Gymnasien, Berufskollegs und Weiterbildungskollegs. Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteiger mit dem Ziel des berufsbegleitenden Vorbereitungsdienstes werden zunächst meist befristet (in der Regel 24 Monate) beschäftigt.
Wie finde ich eine Stelle als Seiteneinsteger?
Schulen haben die Möglichkeit, Stellen mit dem Zusatz „Öffnung für den Seiteneinstieg“ oder vergleichbaren Zusätzen im Internet unter dem Portal www.lois.nrw.de zu inserieren. Interessenten können sich wiederum unter der Rubrik „Registrierung für den Seiteneinstieg“ registrieren. Durch die Eintragung in die Interessentendatei wird man dann auf neue Stellenausschreibungen, die dem hinterlegten Profil entsprechen, automatisch per Mail hingewiesen.
Was passiert, wenn man die Voraussetzungen nicht erfüllt?
In diesem Fall besteht die Möglichkeit einer einjährigen Pädagogischen Einführung in den Schuldienst (PDF 98 KB). Die Pädagogische Einführung besteht aus einer Orientierungsphase, die üblicherweise zwei bis drei Monate dauert, und einer Intensivphase, die neun Monate andauert. Die Pädagogische Einführung beginnt entweder zum Beginn eines Schuljahres oder Schulhalbjahres und findet sowohl an der Schule als auch am Zentrum für schulpraktische Lehrerausbildung statt.
Ablauf des Seiteneinstiegs
Möchte man als Seiteneinsteiger als Lehrer tätig werden, so muss man zunächst einmal eine Stelle finden, die auch für Seiteneinsteiger ausgeschrieben ist. Die Bewerbung richtet man hierbei in Papierform direkt an die Schule selbst. Diese benötigt folgende Unterlagen:
- Bewerbungsschreiben (Nehmen Sie bitte Stellung zum Anforderungsprofil im Ausschreibungstext)
- Tabellarischer Lebenslauf
- Ggf. Schwerbehindertenausweis (beglaubigt) oder Gleichstellungsbescheid (beglaubigt)
- Unbeglaubigte Kopien der Zeugnisse und Qualifikationen
- Übersicht über erbrachte Studienleistungen in den ausgeschriebenen Fächern
- Erklärung gem. § 2 Abs. 4 OBAS
- Unbeglaubigte Kopien von sonstigen im Ausschreibungstext geforderten Qualifikationsnachweisen
- Sollte der Hochschulabschluss nicht aus Deutschland stammen, wird zur Beschleunigung des Verfahrens empfohlen, einen Nachweis beizufügen, dass der Abschluss nach seinem Niveau einem in der Bundesrepublik Deutschland erworbenen Universitätsabschluss entspricht. Der Nachweis kann beispielsweise durch eine Zeugnisbewertung der Zentralstelle für ausländisches Bildungswesen erfolgen.
Doch aufgepasst: Eine Bewerbung per Mail oder CD wird nicht akzeptiert. Wenn in der Ausschreibung das zweite Fach mit „beliebig“ benannt ist, muss der Bewerber nachweisen, in welchem weiteren Fach er über entsprechende wissenschaftliche und ergänzende berufliche Kompetenzen verfügt und zwar anhand von Nachweisen über Studien- und Prüfungsleistungen.
Kommt ein Arbeitsvertrag zustande, so wird ein Arbeitsverhältnis zum jeweiligen Bundesland als Lehrerin oder Lehrer geschlossen, und zwar im Tarifbeschäftigungsverhältnis im Rahmen eines öffentlich-rechtlichen Ausbildungsverhältnisses. Dieser Vertrag wird in aller Regel zunächst für die Zeit der Ausbildung – also 24 Monate – abgeschlossen mit der Option einer dauerhaften Anstellung nach Abschluss der Ausbildung.
Wann endet die Ausbildung?
Während der Ausbildung ist man einerseits lehrend an der Schule beschäftigt, andererseits besucht man das Zentrum für schulpraktische Lehrerausbildung. Die Ausbildung endet mit der bestandenen oder endgültig nicht bestandenen Staatsprüfung und somit der Lehramtsbefähigung. Zugleich stellen jetzt schon viele Bundesländer eine Verbeamtung in Aussicht, die bis zum vollendeten 42. Lebensjahr grundsätzlich möglich ist.
Wie viel verdient man während der Ausbildung?
Die Höhe der Ausbildungsvergütung variiert je nach Schulform. Hierfür erhält man eine Bezahlung nach Tarif. Lehrkräfte in Ausbildung mit abgeschlossenem wissenschaftlichen Hochschulstudium erhalten bei einem Einsatz in
- Haupt‑, Real- und Gesamtschule (Jahrgangsstufen 5 bis 10) eine Einstufung in Entgeltgruppe 11 TV‑L
- Gymnasien und Gesamtschulen (Jahrgangsstufen 11 bis 13), Berufskollegs eine Einstufung in Entgeltgruppe 13 TV‑L
Fazit
Der Beruf als Lehrer ist nicht nur attraktiv, weil man das Leben junger Leute positiv mitgestaltet kann. Wird man in ein Beamtenverhältnis übernommen, bietet der Beruf nicht nur Sicherheit, sondern auch ein solides Einkommen. Für sieben von zehn Lehramtsstudenten im ersten Semester ist es einer HIS-Umfrage zufolge sogar ausgesprochen wichtig, später einmal gut zu verdienen.
Ob man nun einen pädagogischen Abschluss besitzt oder als Seiteneinsteiger in den Schulbetrieb einsteigt – am wichtigsten ist es letztlich, dass man diesen Beruf mit Herzblut ausübt und dazu in der Lage ist, Inhalte verständlich zu vermitteln. Sie wissen nicht, ob Sie für eine Tätigkeit als Lehrer geeignet sind? Dann füllen Sie doch den Selbsteinschätzungsbogen (332 KB) des Schulministeriums NRW aus!