Überall liest man heutzutage vom Fachkräftemangel. Qualifizierte Arbeitskräfte, so heißt es, werden dringend gesucht. Sollte es da nicht ganz leicht sein, auch durch einen Quereinstieg in einem neuen Berufsfeld Fuß zu fassen? Wir haben uns informiert.
Unter einem Quereinsteiger oder auch Seiteneinsteiger versteht man jemanden, der ursprünglich etwas anderes gelernt hat und nun in einem Beruf arbeiten möchte, ohne die dafür üblicherweise notwendige Ausbildung absolviert zu haben. Das trifft also im Grunde immer dann zu, wenn man in einem anderen Beruf als dem erlernten tätig wird.
Darf man das?
Grundsätzlich ist ein Quereinstieg fast immer möglich und erlaubt. Unternehmen können in vielen Fällen jede Person mit beliebiger Qualifikation und Erfahrung einstellen. Allerdings darf man bei der Ausführung von Tätigkeiten nicht gegen bestehendes Recht verstoßen und man muss unmissverständliche Titel führen.
Denn in Deutschland gibt es geschützte Berufsbezeichnungen wie etwa Arzt oder Rechtsanwalt und man darf nur dann als Arzt oder Anwalt praktizieren, wenn man die dafür notwendige Ausbildung absolviert hat. Und auch in anderen Berufen muss man die richtige Bezeichnung einhalten. Wer als kaufmännischer Angestellter tätig ist, aber keine kaufmännische Ausbildung absolviert hat, der darf nicht von sich behaupten, eine kaufmännische Fachkraft zu sein.
Ganz ohne Qualifikation geht es nicht
Wer jedoch glaubt, dass ein Quereinstieg ganz ohne Qualifikation gelingen kann, täuscht sich. Der Gedanke hinter dem sogenannten Quer- oder Seiteneinstieg ist schließlich der, dass man dafür andere Dinge aus anderen Berufszweigen (zumindest durch umfassende Berufserfahrung) erlernt hat und diese Kompetenzen in die neue Branche mit einbringt.
Nicht umsonst liest man in Stellenangeboten oftmals die Angabe, dass z. B. eine kaufmännische Berufsausbildung gefordert ist oder eine vergleichbare Qualifikation. Damit sind viele Arbeitgeber zwar offen für Bewerber aus anderen Disziplinen; die Ausbildung muss jedoch gleichwertig sein oder aber durch entsprechende Berufserfahrung ausgeglichen werden.
Die eigenen Fähigkeiten richtig einschätzen
Letzten Endes ist man als Quereinsteiger vor allem von einer Sache abhängig: von dem Wohlwollen des Arbeitgebers. Schließlich muss dieser in Ihnen das Potenzial erkennen, die vakante Stelle auch in angemessenem Umfang ausfüllen zu können. Wichtig ist es daher, dass Sie möglichst genau darlegen, dass Sie verstanden haben, welche Aufgaben mit der Stelle einhergehen und wieso Sie glauben, diesen gerecht werden zu können.
Viele gehen davon aus, dass man durch einen Quereinstieg eine Stelle in seiner Traumbranche ergattern kann. Doch das kann nur dann funktionieren, wenn man die dafür notwendigen Fähigkeiten bereits mitbringt. Sicher, es ist grundsätzlich möglich, dass ein Arbeitgeber eine etwas längere Einarbeitungsphase für Sie einplant. Generell stellt ein Arbeitgeber Sie jedoch nur dann als Quereinsteiger ein, weil er davon ausgeht, dass Sie bereits zum Zeitpunkt der Einstellung die Fähigkeiten besitzen, die jeweilige Position bekleiden zu können.
Initiativbewerbungen zielgerichtet formulieren
Wenn Sie sich als Quereinsteiger in einem Unternehmen bewerben möchten, genügt es nicht, eine allgemeine Bewerbung zu schicken und zu hoffen, dass der Arbeitgeber sich selbst überlegt, wofür Sie geeignet sein könnten.
Schließlich ist es Ihre Aufgabe zu wissen, was Sie machen möchten. Stellen Sie also in der Initiativbewerbung Ihre Stärken ganz klar heraus und begründen Sie, warum Sie sich bewerben und welche Vorteile der Arbeitgeber durch Sie in seinem Unternehmen hätte.
Nützliche Tipps für die Erstellung von Bewerbungsunterlagen finden Sie in unserem Artikel „Selbstvermarktung: Strategien für die perfekte Bewerbung“.
Was haben Sie anderen Bewerbern voraus?
Wichtig ist, dass Sie sich vorher klar machen, worin ihre tatsächlichen Fähigkeiten bestehen, und nicht, was Sie zwar gerne tun würden, aber nicht beherrschen. Nur dann ist der Wechsel in eine andere Branche auch aussichtsreich. Lassen Sie Ihren beruflichen Werdegang also noch einmal Revue passieren: Was haben Sie schon alles gemacht, was Sie anderen Bewerbern dadurch voraushaben?
Das Angebot regelt die Nachfrage
Ob die Chancen für einen Quereinstieg gut stehen, hängt zudem von der Branche ab. Denn in Berufen, wo sich ohnehin viele Fachkräfte tummeln, ist es als ungelernte Kraft ungleich schwerer, eine Stelle ergattern zu können. Ganz anderes sieht das natürlich in Berufszweigen aus, in denen händeringend nach Arbeitskräften gesucht wird.
Fachkräftemangel in Deutschland
In manchen Berufen in Deutschland ist der Bedarf an Arbeitskräften sehr hoch und dementsprechend gut stehen die Chancen, in dem jeweiligen Bereich eingestellt zu werden. Der Bedarf an Fachkräften soll in Zukunft sogar noch weiter ansteigen – kein Wunder, schließlich werden allein schon durch die Digitalisierung und Technisierung viele Berufe immer komplexer und machen somit eine immer bessere Ausbildung notwendig. Forscher warnen sogar eindringlich davor, dass 2040 3,3 Millionen Fachkräfte fehlen könnten.
Denn der Fachkräftemangel hat ernsthafte Folgen für die Wirtschaft: Durch den Mangel an Fachkräften wird nämlich zugleich die Wirtschaftskraft beeinträchtigt.
Fachleute in technischen Berufen dringend gesucht
Schon jetzt mangelt es in technischen Berufen an mehr als 300.000 Arbeitskräften – Tendenz steigend. Genauer gesagt: Es fehlt an Fachkräften in den Bereichen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik (MINT).
Wer also mit entsprechender Berufserfahrung und Fachkenntnissen in diesem Bereich aufwarten kann, hat recht gute Chancen, hier eine Anstellung zu finden. Wichtig ist jedoch, dass Sie trotz fehlender Bildungsabschlüsse entsprechende Nachweise, z. B. in Form von Arbeitszeugnissen, vorweisen können, um Ihre Kenntnisse auch zu bescheinigen.
Pflegenotstand
Es gibt sie tatsächlich – die Berufe, in denen immer Stellen unbesetzt sind und man auch ohne viel Berufserfahrung die Chance hat, schnell eine Tätigkeit zu finden. Dazu gehört beispielsweise die Pflege, wo laut SPIEGEL in Deutschland rund 25.000 Fachkräftestellen unbesetzt sind. Zusätzlich mangelt es an rund 10.000 Hilfskräften.
Um dem Pflegenotstand entgegenzuwirken, öffnete Hessen erst kürzlich die Ausbildung zum staatlich anerkannten Altenpfleger auch für Menschen ohne Schulabschluss und möchte damit unter anderem Flüchtlingen mit guter Bleibeperspektive eine Karriereoption eröffnen. Auszubildende können dann parallel zur Ausbildung ihren Hauptschulabschluss machen. Das Modellprojekt startet mit jährlich 160 Plätzen.
Fachkräftemangel ist nicht gleich Arbeitskräftemangel
Unterschieden werden muss jedoch zwischen dem sogenannten Fachkräftemangel und dem Arbeitskräftemangel. In vielen Branchen besteht zwar ein hoher Bedarf an Fachkräften, die eine spezifische Ausbildung in dem jeweiligen Bereich absolviert haben. Das bedeutet jedoch nicht, dass auch ein ebenso hoher Bedarf an ungelernten Kräften besteht.
Doch auch ein massiver Arbeitskräftemangel könnte drohen. Sollte das Wirtschaftswachstum konstant bleiben, so könnten bis 2030 in Deutschland rund 6,1 Millionen Arbeitskräfte fehlen.
Je höher der Abschluss, desto besser die Chancen
Grundsätzlich gilt: Je höher Ihr Abschluss ist, desto breitgefächerter werden auch Ihre beruflichen Chancen. Noch immer hat man mit einem Universitätsabschluss, auch in den Geisteswissenschaften, mehr berufliche Optionen und die Wahrscheinlichkeit, nach erfolgreichem Abschluss eine Anstellung zu finden, ist ungleich höher als bei einem niedrigeren Ausbildungsgrad. Die Arbeitslosigkeit von Hochschulabsolventen liegt seit Jahren unter drei Prozent. Im Vergleich: 2017 lag sie bei 2,6 Prozent, während die allgemeine Arbeitslosigkeit 6,1 Prozent erreichte.
Da viele Studiengänge nach wie vor keine explizite berufliche Ausrichtung haben, finden auch Uniabsolventen sich regelmäßig in der Situation wider, als Quereinsteiger in eine unbekannte Branche einzusteigen. Allerdings sind gerade Akademiker gar nicht so offen für die Idee des beruflichen Quereinstiegs: Mehr als 40 Prozent der deutschen Fach- und Führungskräfte glauben, dass ihre Hochschulbildung keinen anderen Berufsweg zulässt.
Auch die Größe des Betriebs ist entscheidend
Generell haben Sie als Quereinsteiger bessere Chancen, wenn Sie einen persönlicheren Kontakt zu Unternehmen aufbauen. Das wiederum ist einfacher bei kleineren Unternehmen, bei denen der Kontakt zu Vorgesetzten und Entscheidungsträgern meistens leichter hergestellt werden kann. Anders formuliert: Hier sind die Personen greifbarer, die Ihnen eine Stelle auch als Nicht-Fachkraft zutrauen könnten. Vielleicht kennen Sie ja bereits jemanden in Ihrem Umfeld, der einen solchen Kontakt herstellen könnte?
Konzerne setzen auf Quereinsteiger
Doch auch große Konzerne setzen angesichts des Fachkräftemangels zunehmend auf Quereinsteiger. Die Deutsche Bahn etwa sucht händeringend nach Arbeitskräften, um diese als Lokführer, im Gleisbau oder in der IT einzusetzen. Hierfür veranstaltete die Bahn beispielsweise Ende 2017 ein Job-Casting, bei dem Bewerber direkt vor Ort erfahren sollten, ob sie eingestellt werden. Aber auch Auszubildende sucht die Bahn auf diesem Wege. Das nächste Azubi-Casting findet im Juli in folgenden Städten Deutschlands statt: Hof (05.07.2018), Berlin (06.07.2018) und München (13.07.2018).
Fazit
Generell ist es möglich, auch als Quereinsteiger eine Stelle zu finden. Zu beachten ist jedoch, dass man ohne eine fachliche Grundausbildung stets eine stärkere Abhängigkeit vom jeweiligen Arbeitgeber hat. Daher empfiehlt es sich in jedem Fall, parallel zum Beruf eine Form der Qualifikation nachzuholen, etwa durch eine Weiterbildung.
Außerdem sollten Sie sich bewusst machen, dass ein Quereinstieg besonders dann gute Aussichten auf Erfolg hat, wenn in diesem Bereich dringend nach Fach- und Arbeitskräften gesucht wird. Dann ist es durchaus möglich, dass Ihnen die Chance gegeben wird, Ihre Kenntnisse und Fähigkeiten unter Beweis zu stellen. Davon sollten Sie in jedem Fall ohnehin schon welche mitbringen, um sich gegen die Konkurrenz durchsetzen zu können.