Weibliche Führungskräfte – die Politik wünscht sich hier schon lange mehr Erfolgsgeschichten. In der Realität sieht es da etwas mau aus. Nur jede vierte Führungsposition wird in Deutschland von einer Frau besetzt. Dabei zeigt eine aktuelle Studie, dass Frauen sogar die besseren Führungskräfte sein könnten!
Der Frauenanteil an Führungspositionen in deutschen Unternehmen beträgt aktuell nur schwache 25,83 Prozent. Zudem verdienen Frauen im Schnitt 23,4 Prozent weniger als Männer. Da schafft bislang auch keine Frauenquote Abhilfe. Die Gründe dafür sind nicht ganz eindeutig. Auch Unternehmen, die Frauen speziell fördern, bemängeln, dass ihnen weiblicher Nachwuchs auf dem Weg nach oben abhanden kommt. Sicher, manche wenden sich dann beispielsweise doch der Familienplanung zu. Oft arbeiten Frauen zudem nur in Teilzeit. Aber auch das erklärt nicht ganz, warum viele Frauen auf dem Weg nach oben von der Bildfläche verschwinden.
Höherer Frauenanteil gut für das Geschäft
Frühere Studien haben bereits herausgefunden, dass eine höhere Beschäftigungsquote von Frauen sich positiv auf die Umsätze, Gewinne oder auch den Börsenwert eines Unternehmens auswirkt. Demnach fanden Forscher des Peterson Instituts for International Economics in Washington heraus, dass ein um 30 Prozent höherer Frauenanteil in der Führungsriege zugleich einen um 15 Prozent erhöhten Netto-Umsatz mit sich brachte. Kein Wunder also, dass das Interesse an weiblichem Nachwuchs zunimmt.
Persönlichkeitsmerkmale von Führungskräften
Bislang gab es jedoch noch keine Untersuchungen dazu, ob und wodurch sich weibliche Führungskräfte besonders hervortun und wie sich das auf ihre Leistungen niederschlägt. Forscher der Norwegian Business School haben sich dieser Frage nun angenommen. Dazu wurden zunächst fünf Kategorien bestimmt, durch die sich eine gute Führungskraft auszeichnen muss. Hierzu wurden 2900 Führungskräfte hinsichtlich ihrer Persönlichkeitsmerkmale untersucht. Das Ergebnis:
- Eine Führungskraft muss Stress aushalten,
- die Initiative ergreifen,
- Innovationen fördern,
- andere unterstützen und
- Ziele affektiv erreichen können.
Weibliche Führungskräfte in vier Kategorien stärker als männliche Konkurrenz
Frauen schnitten in vier der fünf Kategorien besser ab. Lediglich in der Kategorie „Stress aushalten“ zeigten sich weibliche Führungskräfte benachteiligt gegenüber ihren männlichen Kollegen. Stress bzw. die negativen Aspekte einer Führungsposition aushalten zu können, ist allerdings ein entscheidendes Kriterium dafür, ob jemand für eine leitende Position geschaffen ist. Denn wer ganz nach oben will, kann nicht immer von allen geliebt werden. In der Führungsetage kommt es u. a. darauf an, auch soziale Kälte aushalten zu können. Das heißt, dass man damit umgehen können muss, auch auf sich gestellt zu sein. Das fällt Frauen häufig schwer und hält viele womöglich auch davon ab, eine Karriere in leitender Position anzusteuern.
Stärken der Frauen zugleich ihre Schwächen
Ein weiterer Grund dafür, warum Frauen in der Führungsetage so rar vertreten sind, ist laut Marina Schraudner vom Fraunhofer Institut folgender: Frauen bringen zwar Persönlichkeitsmerkmale und Fähigkeiten wie Empathie mit, die man sich bei Führungskräften wünscht. Diese Eigenschaften sind es aber auch, die sie oftmals daran hindern, aufzusteigen.
Über den beruflichen Erfolg entscheiden nämlich andere Dinge. Da zählen Durchsetzungsfähigkeit, Selbstmarketing, Selbstbewusstsein und Schnelligkeit. Und gerade, was Durchsetzungsfähigkeit, Selbstmarketing und Selbstbewusstsein anbelangt, schneiden Frauen oft schlechter ab. Frauen sind zwar häufiger gesellig und empathisch, jedoch weniger gut darin, von ihren Netzwerken zu profitieren. Sie fühlen sich schlecht, wenn sie durch persönliche Beziehungen berufliche Verbindungen schaffen können, so Führungskräftetrainerin Sigrid Meuselbach.
Unterschiede feiern statt Gleichheit zu fördern
Ob Frauen oder Männer letztlich nun die besseren Führungskräfte sind – das lässt sich wahrscheinlich doch nicht ganz pauschal beantworten. Schließlich hängt das von vielen verschiedenen Faktoren ab. Wichtig ist jedoch, dass weibliche Führungskräfte tendenziell andere Herangehensweisen mit in den Beruf einbringen. Und diese sind es, die gerade für eine Führungsposition von Vorteil sein können.
Geschlechtsspezifische Unterschiede werden gerade im Führungsbereich zwar oft nicht gern eingestanden. Hier verbirgt sich jedoch gerade die Stärke der beiden Geschlechter. Nicht zuletzt sind die Gehirne von Männern und Frauen unterschiedlich aufgebaut und leiten so zum Teil unterschiedliche Prozesse in die Wege.
Bei gleicher Leistung unterschiedliche Ergebnisse
Das männliche Gehirn ist rund 9 Prozent größer als das weibliche Gehirn. Im weiblichen Gehirn versammeln sich aber genauso viele Zellen, die bloß viel dichter angeordnet sind. Allerdings ist bei Frauen das Sorgenzentrum (Cortex Cingularis Anterior) stärker ausgeprägt. Das bewirkt auf der einen Seite ein stärkeres Mitgefühl sowie „eine herausragende sprachliche Flexibilität, die Fähigkeit zu tiefer Freundschaft, eine fast übernatürliche Fähigkeit, Gefühle und Geisteszustände an Gesichtsausdruck und Tonfall abzulesen, und die Fähigkeit, Konflikte zu entschärfen.“ Das führt dazu, dass Frauen mehr wahrnehmen. Sie sind deshalb besser beim Improvisieren und Organisieren und haben eine höhere Problemlösungskompetenz. Auf der anderen Seite bewirkt es aber auch, dass Frauen mehr wert darauf legen, was andere über sie denken.
Männer sind, was das anbelangt, anders angelegt. Bei ihnen ist das Gehirnzentrum für Aktivität, Aggression und Sexualtrieb, die Amygdala, vergrößert. Das führt dazu, dass Männern das ich näher liegt als das wir. Dadurch, dass sie bestimmte Dinge jedoch nicht wahrnehmen, neigen Männer auch eher zu konventionellen Lösungen.
Auch die Herkunft ist entscheidend
Fakt ist, dass die individuellen Kompetenzen auch davon abhängen wie man sozialisiert wurde. So seien Töchter von Vätern, die selbst Führungspositionen bekleidet und ihre Kinder diesbezüglich gefördert haben, viel eher dazu bereit, den Weg nach oben anzutreten.
Auch im Ländervergleich treten starke Unterschiede zutage. Während Deutschland im europäischen Vergleich eher hinten liegt, was die Anzahl weiblicher Führungskräfte anbelangt, sieht das in anderen Ländern anders aus. In Lettland stellen weibliche Führungskräfte mit 53 Prozent sogar die Mehrheit. Darauf folgen Bulgarien und Polen (je 44 %), Irland (43 %), Estland (42 %), Litauen, Ungarn und Rumänien (je 41 %) sowie Frankreich und Schweden (je 40 %). Im Gegensatz dazu machen Frauen weniger als ein Viertel der Führungskräfte in Italien und Zypern (je 22 %), Belgien und Österreich (je 23 %) sowie in Luxemburg (24 %) aus. Auf EU-Ebene ist etwa ein Drittel (35 %) der Führungskräfte weiblich.
Auf den Beziehungsstatus kommt es an
Bei vielen Frauen scheint auch der Beziehungsstatus dabei eine Rolle zu spielen wie viel sie sich beruflich zutrauen. Einem Klischee zufolge haben Männer häufig ein Problem mit erfolgreichen und intelligenten Frauen. Wirtschaftswissenschaftler der Universitäten Princeton, Harvard und Chicago fanden nun heraus, dass Single-Frauen sich bei ihren beruflichen Vorstellungen offenbar daran orientieren. Dazu machten die Forscher zwei Experimente. Im Beisein anderer (vor allem männlicher) Studenten waren Single-Frauen hinsichtlich ihrer Karrierewünsche bescheidener. Bei Frauen in einer Partnerschaft blieben die Aussagen dagegen unverändert.
Fazit
Was können Frauen also machen, wenn sie die Karriereleiter erklimmen wollen? Auch wenn Deutschland im Ländervergleich aktuell noch hinten liegt, bieten sich für zielstrebige Frauen durchaus Chancen. Sie sollten sich aber mit dem Gedanken vertraut machen, dass sie nicht von allen geliebt werden können. Auch können Sie nicht ständig Lob erwarten, wenn es darum geht, Entscheidungen zu treffen und durchzusetzen. Dabei können sie sich ruhig mal etwas von ihren männlichen Kollegen abschauen und sich ab und an mehr auf sich selbst als auf das „wir“ besinnen.
Vor allem aber sollten sich mehr Frauen in Deutschland eine Führungsposition zutrauen und den Mut haben, sich mit ihren männlichen Konkurrenten zu messen!