Dem Konjunkturbericht des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH) zufolge war 2016 ein Rekordjahr für das Handwerk. Dank des Booms lief es für die meisten handwerklichen Betriebe so gut wie lange nicht mehr.
Demnach gaben 94 Prozent der befragten Betriebe an, dass die Geschäfte gut oder zumindest befriedigend laufen. Das betraf auch die handwerklichen Betriebe der Region, die z. B. im Großraum Köln eine sehr gute Auslastung hatten.
Lange Wartezeiten durch gute Auftragslage
Auf den Besuch durch den Handwerker kann man dadurch mitunter lange warten: Durchschnittlich mit acht Wochen Wartezeit müssten Kunden von Handwerksbetrieben in Köln rechnen. Bei Maurern und Dachdeckern seien es im Schnitt sogar neun Wochen. Wer ein neues Bad oder einen Anbau im Garten benötigt, muss ebenfalls lange warten. Hier seien die Auftragsbücher besonders voll.
Gute Zukunftsperspektiven im Handwerk
Dieser Boom wird auch an die Zukunft des Handwerks weitergegeben. Durch die erhöhte Auftragslage werden wieder verstärkt Auszubildende gesucht, um das Vorhandensein von Fachkräften sicherzustellen. So entstehen im Handwerk Jobs mit Zukunft. Kein Wunder also, dass sich auch immer mehr Abiturienten für eine Ausbildung im Handwerk entscheiden.
Nachwuchssorgen trotz guter Aussichten
Trotzdem hat das Handwerk Nachwuchssorgen: Grund dafür ist unter anderem der boomende Arbeitsmarkt. Ein weiterer Grund könnte sein, dass der Anteil der Schüler, die die Schule mit dem Abitur abschließen, wesentlich höher ist. Diese haben dann zusätzlich die Wahl zwischen einem recht kurzen Bachelor-Studium und einer fast ebenso langen Berufsausbildung – da falle die Entscheidung häufig zugunsten des Studiums aus.
Bildungsangebote im Handwerk bei Faktum
Aber auch außerbetrieblich kann man sich weiterbilden, etwa bei Bildungsträgern wie Faktum. Wir haben uns mit Elektroinstallateurmeister Karl-Josef Wolters getroffen und ihm Fragen rund um das Handwerk gestellt. Karl-Josef Wolters arbeitet seit 2010 bei Faktum als Ausbilder und Leiter des gewerblich-technischen Qualifizierungscenters auf der Ottostraße. Sein Tipp für angehende Handwerker: Ausprobieren!
faktumblog: Hallo Herr Wolters! Wer kommt denn zu Ihnen ins gewerblich-technische Qualifizierungscenter?
Karl-Josef Wolters: Zu uns kommen Kunden vom Jobcenter oder der Arbeitsagentur, die eine Umschulung zum Elektroniker Fachrichtung Energie und Gebäudetechnik (früher: Elektriker) sowie zum Maler und Lackierer machen wollen oder in diesen Bereichen eine Teilqualifizierung machen wollen. Ebenfalls schulen wir in metallverarbeitenden Gewerken, im Trockenbau, im Garten- und Landschaftsbau sowie vielen weiteren technischen Berufen.
faktumblog: Decken Sie alle Bereiche ab?
Karl-Josef Wolters: Unterstützt werde ich durch meine Kollegen Matthias Rix und Thomas Heerdmann. Herr Rix ist von Haus aus REFA-Techniker I.E. und Metalltechniker sowie gelernter Dreher. Er deckt den Bereich der Arbeitssicherheit, Grundlagen der Mathematik und die Grundschaltungen der Elektrotechnik sowie das Bestücken und Löten ab. Herr Heerdmann ist Malermeister und kümmert sich um die komplette fachliche Ausbildung im Bereich Maler Lackierer und Trockenbau.
Für die Grundlagen im Garten- und Landschaftsbau haben wir außerdem eine Freifläche, auf der man Weggestaltungen, Beete und Pflasterflächen anlegen sowie Pflanzkübel aufbauen kann. Ebenfalls werden theoretische Grundlagen des Garten- und Landschaftsbaus vermittelt.
faktumblog: Was ist denn eine Teilqualifizierung im handwerklichen Bereich?
Karl-Josef Wolters: Wenn Kunden Spaß daran haben, z. B. im Elektrobereich zu arbeiten oder sich dafür interessieren, dann können wir da Grundlagen vermitteln. Eine Teilqualifizierung vermittelt also Grundlagen in einem Betrieb. Dazu gehört zum Beispiel das Löten mit einem Lötkolben, damit man beispielsweise als Bestücker in der Elektroindustrie Fuß fassen kann.
Die Teilqualifizierung machen auch junge Leute, die nach der Schule zu uns kommen, um Grundlagen zu lernen, um dann anschließend in eine Berufsausbildung zu starten. Oder man kann als Teilqualifizierer auch einfach in einen Bereich reinschnuppern und mal gucken, ob das was für einen ist.
faktumblog: In welchen handwerklichen Berufen schulen Sie bei Faktum um?
Karl-Josef Wolters: Umschulungen finden hauptsächlich zum Elektroniker in der Fachrichtung Energie- und Gebäudetechnik sowie zum Maler und Lackierer in der Fachrichtung Gestaltung und Instandhaltung statt. Die Abschlussprüfungen werden dann vor der Handwerkskammer bzw. vor der Kreishandwerkerschaft abgelegt.
faktumblog: Wie viele Kunden begleiten Sie aktuell zum erfolgreichen Abschluss?
Karl-Josef Wolters: Zur Zeit begleiten wir 26 Umschüler und 21 Teilqualifizierer zum erfolgreichen Abschluss.
faktumblog: Wer kümmert sich um die Ausstattung des gewerblich-technischen Qualifizierungscenters? Welche Neuerungen wurden zuletzt vorgenommen?
Karl-Josef Wolters: Um die Ausstattung kümmere ich mich in enger Zusammenarbeit mit unserer Geschäftsführerin, Irmtraud Wilms, meistens selbst. Zusätzlich werden wir auch von der Handwerkskammer Düsseldorf in regelmäßigen Zeitabständen kontrolliert, ob wir noch auf dem neuesten Stand der Technik sind. Auch Qualitätssicherungsmaßnahmen, Audits, Unfallverhütungskontrollen und Mitarbeiterschulungen werden jährlich von externen Kontroll- und Überwachungseinrichtungen durchgeführt.
Zuletzt haben wir unsere Elektrowerkstatt komplett umgebaut und neu gestaltet, um unseren Kunden und Prüflingen eine möglichst praxisnahe Umgebung in modernen und technisch aktuellen Ausbildungswerkstätten zu bieten. Ebenfalls wurden zu diesem Zweck neue Schutzmaßnahmen, Mess- und Prüfgeräte und Bauteile angeschafft.
faktumblog: Welche Voraussetzungen muss man für die Teilnahme an einer Umschulung erfüllen?
Karl-Josef Wolters: Wichtig ist zunächst mal, dass man Interesse an Technik und natürlich handwerkliches Geschick mitbringt. Aber auch der Umgang mit Privatkundschaft und Lernbereitschaft sind wichtig. Ideal ist es natürlich, wenn jemand schon eine qualifizierte und abgeschlossene Schulbildung mitbringt, denn im Handwerk hat man nun einmal viel mit Mathematik zu tun.
faktumblog: Wie finden Sie bei den Kunden denn heraus, ob der Wunsch nach einer Umschulung realisierbar ist?
Karl-Josef Wolters: Jeder Kunde, der zu uns kommt, unterzieht sich einem schriftlichen und handwerklichen Test, der von uns entwickelt wurde. Nach der Auswertung sieht man dann sehr gut, ob der Wunsch nach einer Umschulung realisierbar ist.
Der schriftliche Test setzt sich zusammen aus einem allgemeintheoretischen Teil, einem mechanischen Wissensteil und natürlich einem mathematischen Teil. Das sind im Prinzip ganz banale Sachen wie Bruchrechnung. Bruchrechnung ist bei der Elektrotechnik aber ganz entscheidend, weil sie die Grundlage dafür ist, eine Formel umstellen zu können. Da scheitern viele schon dran.
Der praktische Teil besteht aus unterschiedlichen Übungen, anhand derer wir überprüfen wollen wie geschickt jemand ist. Die Übung kann z. B. darin bestehen, einen einfachen Holzrahmen aus ganz normalen Dachlatten zu bauen. Der Rahmen soll dann mit einfachen Schrauben zusammengeschraubt werden. Da sieht man dann wie geschickt jemand mit Schrauben umgeht, wie jemand das sägt usw. Das gleiche machen wir mit Blech. Da lässt sich schon ganz gut erkennen wie viel Talent jemand mitbringt.
Das sind gar nicht immer diejenigen, bei denen man damit rechnet. Wir hatten schon welche da, die seit Jahren im Bekanntenkreis Wohnungen renovieren, wo aber nachher alles krumm und schief war. Auf der anderen Seite entdeckt man auch richtige Naturtalente: Wir hatten mal eine junge Teilnehmerin, die wusste nicht so richtig, was sie machen sollte und hatte auch noch nie im Handwerk gearbeitet. Sie hat dann einen Raum tapeziert und das war am Ende so exakt, da hat unser Malermeister mit geschultem Auge die Naht suchen müssen.
faktumblog: Welche Bildungsangebote gibt es denn für Kunden, die bereits einen Berufsabschluss haben und ihre Kenntnisse lediglich erweitern oder vertiefen möchten?
Karl-Josef Wolters: Das kommt ganz darauf an, um was es bei dem jeweiligen Teilnehmer geht. Wir bieten zum Beispiel auch Auffrischungskurse oder wie schon erwähnt modulare Teilqualifizierungen an. Ausgebildet werden auch sogenannte Fachkräfte für festgelegte Tätigkeiten. Außerdem haben wir auch Vorbereitungs- und Nachhilfekurse im Angebot für Kunden, die kurz vor einer Prüfung stehen.
faktumblog: Ich habe gehört, dass Faktum zukünftig auf die Vergleichbarkeitsprüfung bei der Handwerkskammer vorbereitet. Was ist das eigentlich?
Karl-Josef Wolters: Es kommen viele Flüchtlinge und Migranten nach Deutschland, die in ihrem Herkunftsland auch eine handwerkliche Ausbildung, zum Beispiel im Elektrohandwerk, gemacht haben. Diese Ausbildung wird in Deutschland aber nicht immer anerkannt. Es soll deswegen geprüft werden, ob diese ausländische Ausbildung hier der deutschen Ausbildung entspricht oder ob sie vielleicht Grundlage für eine entsprechende Weiterbildung oder Ausbildung sein kann.
Weil das Elektrohandwerk in Deutschland ein zulassungspflichtiges Handwerk ist, soll mit der Vergleichbarkeitsprüfung festgestellt werden, ob die Ausbildung mit dem deutschen Abschluss vergleichbar ist. Auf diese Prüfung der Handwerkskammer wird Faktum in einer entsprechenden Maßnahme die zugewanderten Fachkräfte vorbereiten. Die Maßnahme beinhaltet also die fachliche Vorbereitung auf die Kenntnisprüfung, das Kennenlernen der handwerklichen Standards in Deutschland, die Vermittlung von fachbezogenen Begriffen und Bezeichnungen und den richtigen Umgang mit den vorgeschriebenen Mess- und Prüfgeräten.
faktumblog: Viele handwerkliche Berufsausbildungen sind wieder gefragt. An Umschulungen Interessierte versprechen sich davon einen sicheren Arbeitsplatz. Stimmt das eigentlich?
Karl-Josef Wolters: Das stimmt voll und ganz. Durch einen immer größer werdenden Fachkräftemangel im Handwerk und auch in der Industrie suchen Betriebe wieder händeringend nach qualifizierten Mitarbeitern. Dadurch entstehen gerade sichere Arbeitsplätze im Handwerk.
faktumblog: In welchem Handwerk hat man in unserer Region aktuell denn die besten Berufsaussichten?
Karl-Josef Wolters: Im Elektrohandwerk, aber auch im metallverarbeitenden Gewerbe bestehen in unserer Region die besten Berufsaussichten. Das belegt schon seit Jahren die sehr gute Vermittlungsquote unserer Absolventen. In den Bereichen liegt die Quote praktisch bei 100 Prozent.
faktumblog: Was würden Sie jemandem raten, wenn er jetzt sagt „Vielleicht könnte das etwas für mich sein“?
Karl-Josef Wolters: Wer Lust hat, das einmal auszuprobieren, sollte sich am besten einfach melden und einen Termin für ein persönliches Gespräch vereinbaren. Das geht entweder direkt bei uns oder in unserer Verwaltung. Man kann sich auch gerne unsere Ausbildungsstätte ansehen, wenn man sich einen Eindruck verschaffen will. Wir helfen bei Fragen gerne weiter!
faktumblog: Vielen Dank für das Interview!