Vorbilder sind gut für uns. Sie inspirieren uns zu Höchstleistungen und geben uns Orientierung. Doch berufliche Vorbilder scheinen die wenigsten von uns zu haben. Dabei könnten sie so nützlich sein, wenn es darum geht, berufliche Perspektiven zu erarbeiten.
In gewisser Hinsicht haben viele Teenager uns einiges voraus. Sie himmeln Youtube- und Popstars an oder schwärmen von den Karrieren berühmter Blogger. Ihre Ziele sind groß: Sie wollen selbst einmal einen eigenen Channel oder Blog zu betreiben. Oder sie träumen davon, später als Ärzte Leben zu retten oder aber davon, ihr eigenes Unternehmen zu gründen. Sie denken, das sei meistens eh unrealistisch? Das mag vielleicht stimmen, aber das spielt im Grunde keine Rolle. Entscheidend ist, dass sich die meisten Kinder und Jugendlichen darauf verstehen zu träumen und ihren erfolgreichen Idolen nachzueifern. Vielleicht ist der Gedanke aber auch nur unrealistisch, weil Erwachsene ihre Träume aus Kindertagen meist fallen gelassen haben.
Erwachsene scheinen nämlich oft keine Vorbilder mehr zu besitzen. Ihre beruflichen Wünsche sind ganz pragmatisch: Ein besseres Gehalt, ein sicherer Arbeitsplatz oder eine unbefristete Anstellung stehen dann auf der Wunschliste. Fragt man jedoch nach dem Traumjob, können viele keine Antwort liefern.
Die Leistungen anderer als Ansporn
Was für Jugendliche ganz selbstverständlich ist, ist für Erwachsene schwer zu akzeptieren: Es gibt immer jemanden, der mehr erreicht hat und erfolgreicher ist als man selbst. Hat man erst einmal ein paar Jahre Berufserfahrung auf dem Buckel, kann es schmerzlich sein zu sehen, dass andere mehr auf die Beine gestellt haben. Dabei sollte doch klar sein, dass man immer auf jemanden treffen wird, der in dem, was man macht, besser und erfolgreicher ist.
Das sollte nicht Anlass dazu geben, den Kopf in den Sand zu stecken, im Gegenteil: Auch Erwachsene sollten sich durch den Erfolg anderer herausgefordert fühlen und sich dadurch vor Augen führen, dass Erfolg möglich ist.
Kontaktaufnahme zu Branchengrößen
Das entdeckte auch eine Ex-Google-Mitarbeiterin für sich, die ihr eigenes Startup gründete. Sie inspirierte ihre Mitarbeiter sogar dazu, ihre persönlichen Vorbilder zu kontaktieren.
Liz Wessel hatte selbst nie Scheu davor, mit ihren Idolen in Kontakt zu treten. Sie versendete zum Beispiel sogenannte kalte E‑Mails an Idole wie Roelof Botha, einen der Top-Risikokapitalgeber der Welt. Sie bat ihn um seinen Rat, welchen Job sie annehmen solle, wenn sie eines Tages ihr eigenes Unternehmen gründen wolle – den Job bei Google oder einen bei einem Risikokapitalfonds. Er riet ihr, zu Google zu gehen und sie folgte dem Rat.
Was ist eine kalte E‑Mail?
Doch was bedeutet das eigentlich, eine kalte Email zu versenden? Vielen ist der Begriff Kaltakquise sicher bekannt. In Call Centern beispielsweise tritt man an potenzielle Kunden heran, zu denen zuvor noch kein Kontakt bestand. Ähnlich verhält es sich auch bei einer kalten E‑Mail. Man sucht Kontakt zu jemanden, den man bislang noch nicht persönlich kannte.
Auch als Mitbegründerin ihrer eigenen Seite Wayup ermutigte Wessel ihre Mitarbeiter dazu, sich auf diesem Weg bei ihren Vorbildern zu melden. Warum? Sie sah sich mit dem Problem konfrontiert, dass sie selbst über eher wenig Berufserfahrung verfügte. Das hatte zur Folge, dass Angestellte Fragen stellten, die sie selbst nicht beantworten konnte. Also ermutigte sie sie kurzerhand dazu, sich bei Fragen an ihre Idole zu wenden und sich somit gewissermaßen Mentoren zu suchen.
Mentoren als Orientierungshilfe
Ein Mentor motiviert nicht bloß, indem dieser die eigenen Ziele bereits erreicht hat und lebt. Vielmehr führt er auch vor Augen, dass man noch nicht ausgelernt hat, sondern dass weitere Schritte folgen können – und wie.
Für Wessel ging der Plan auf. Sie ist sich sicher: Wenn man ein Gespräch mit jemandem führt, dessen Meinung man wertschätzt und dessen Arbeit man bewundert, kann das dabei helfen zu umreißen, was Erfolg für einen bedeutet und welche Ziele man verfolgen möchte.
Zudem ist der Gedanke, ein Vorbild zu kontaktieren, alles andere als abwegig. Was kann schon schief gehen? Zum einen handelt es sich dabei auch nur um eine Person, die sich möglicherweise darüber freut, dass jemand zu ihm oder ihr aufsieht. Zum anderen erhält man im schlimmsten Fall keine Antwort, im besten Fall hat man einen fähigen Ansprechpartner, mit dem man sich austauschen kann. Doch was ist, wenn man gar keine Vorbilder hat?
Vorbilder als Spiegel
Man sucht für gewöhnlich nicht aktiv nach einem Vorbild. Vielmehr ist dies etwas höchst Intuitives: Man setzt sich mit unterschiedlichen Dingen auseinander, liest Bücher, sieht fern, verfolgt die Nachrichten. Gelegentlich stolpert man dabei über jemanden, den man für das, was er tut, bewundert.
Dann ist es wichtig, nicht einfach darüber hinwegzugehen, sondern in sich hineinzuhören: Worum bewundert man diejenige Person? Was macht er oder sie, was man selbst auch gerne erreichen würde? Auf diese Weise kann man hilfreiche Rückschlüsse ziehen, die einem etwas darüber verraten, was man selbst eigentlich möchte.
Wie finde ich meinen Mentor?
Ein Mentor muss nicht einmal jemand sein, der sonderlich berühmt ist. Vielmehr ist entscheidend, ob Sie zu dieser Person aufschauen und von ihrem Rat profitieren können. Das kann ein berühmter Wissenschaftler ebenso sein wie der Handwerker mit eigenem Betrieb oder auch ein Familienmitglied, das eine Karriere hingelegt hat, die Sie selber anstreben.
Entscheidend ist, dass Sie in einem Mentor nicht nur eine Art Coach oder Berater finden, sondern auch eine Art Business-Freund und Vertrauten.
Mentoren als Türöffner
Beim Austausch mit einem erfolgreichen Vorbild profitieren Sie nämlich nicht nur von dem Erfahrungsvorsprung Ihres Idols. Ihr Mentor kann Sie beruhigen, wenn es brenzlig wird oder aber dabei helfen, entscheidende Hürden zu nehmen.
Das kann beispielsweise bedeuten, dass ihr Vorbild Kontakte herstellt und Sie somit von dem Netzwerk Ihres Vorbilds profitieren können. Doch Vorsicht: Hierbei handelt es sich um einen Gefallen, den die andere Person freiwillig leistet – Sie können also nicht einfach mit der Tür ins Haus fallen und verlangen, dass man Sie jemand anderem vorstellt oder empfiehlt. Warum? Wenn jemand Sie einem persönlichen Kontakt vorschlägt oder Sie bekannt macht, dann bürgt derjenige immer auch ein Stück weit dafür, dass man auf Sie bauen kann. Das funktioniert nur, wenn man eine Person auch kennt.
Wie kontaktiert man also jemanden, den man möglicherweise gar nicht kennt? Liz Wessel hat folgende Tipps für die Kontaktaufnahme zu Ihrem Mentor auf Lager:
Regeln bei der Kontaktaufnahme
Sie sind auf der Suche nach jemandem, mit dem Sie sich auf beruflicher Ebene produktiv austauschen können. Und Sie suchen dafür nicht irgendwen, sondern Ihr persönliches Vorbild. Das ist eine zutiefst persönliche Sache. Also kann auch Ihre Kontaktaufnahme ruhig persönlich gestaltet sein. Zeigen Sie in Ihrer Email, warum Sie sich melden und warum Sie sich unbedingt einmal unterhalten sollten, aber vor allem: Was hat die andere Person davon? Lassen Sie dabei aber die Finger von bloßen Schmeicheleien. Stellen Sie lieber Gemeinsamkeiten heraus oder erklären Sie, warum die Wahl ausgerechnet auf diese Person gefallen ist.
Achten Sie dabei aber auch darauf, nicht zu weit auszuholen. Halten Sie es lieber kurz und knapp. Sie suchen schließlich den Kontakt zu jemandem, der Erfolg auf seinem Gebiet hat. Das kann bedeuten, dass diese Person viele Termine und wenig Zeit hat – da sollten Sie lieber keinen halben Roman schreiben, sondern auf den Punkt kommen. Hauptsache ist, dass Sie interessant genug klingen, damit man sich mit Ihnen treffen möchte! Das schließt auch eine interessante Betreffzeile ein. Achten Sie bloß darauf, dass diese zwar neugierig machen soll, aber gleichzeitig nicht als Spam-Email anmuten soll.
Tabus bei der Kontaktaufnahme
Es gibt aber auch klare Tabus. In einer ersten Kontaktaufnahme nach einem Job zu fragen, sollten Sie unbedingt unterlassen. Stattdessen können Sie um kleine Gefallen bitten, die für eine erste Kontaktanfrage angemessen sind, z. B. können Sie darum bitten, in einem persönlichen Gespräch oder Telefonat Fragen stellen zu dürfen.
Schließlich sollten Sie sich aber unbedingt vor Augen halten, dass Sie an eine andere Person herantreten und von ihr Hilfe in Form guter Ratschläge erfragen. Dass Ihnen diese Aufmerksamkeit zuteil wird, ist keine Selbstverständlichkeit! Daher vergessen Sie nicht, sich zu bedanken. Auch wenn Ihr Wunschmentor nicht gleich antworten mag, so hat er sich möglicherweise aber die Zeit genommen, Ihre Email zu lesen. Das muss honoriert werden. Das bedeutet auch: Bitte nicht drängeln, wenn nicht gleich eine Antwort kommt!
Fazit
Für jeden sind Mentoren nützlich, ob man nun Berufseinsteiger ist oder schon viel Berufserfahrung auf dem Buckel hat. Für den einen dient ein Mentor so als Orientierungshilfe, für den Berufserfahrenen kann er aber auch dazu dienen, sich in Bescheidenheit zu üben. Man hält sich so nicht nur vor Augen, wohin es beruflich gehen kann, sondern auch, dass es immer Menschen gibt, die mehr Erfolg haben oder fähiger sind als man selbst. Schließlich ist eines stets besonders wichtig: die nötige Portion Selbstreflexion.
Tritt man darüber hinaus noch mit seinem persönlichen Vorbild in Kontakt, schafft man die ideale Voraussetzung, um über sich selbst hinauszuwachsen. Denn man tritt nicht nur in einen Austausch mit jemandem, der mehr Erfahrung und andere Kenntnisse mitbringt, sondern tauscht sich außerdem mit jemandem aus, den man auf besondere Weise wertschätzt und bewundert. So ist viel eher sicher gestellt, dass man die Anregungen des Mentors auch sinnvoll reflektiert.