Viele Arbeitsuchende schließen die Möglichkeit einer Arbeitsaufnahme über Arbeitnehmerüberlassungen für sich aus. Das liegt vor allem am negativen Image der Zeitarbeitsbranche. Demnach sei man als Zeitarbeiter schlecht bezahlt und werde schnell wieder ausgetauscht. Wir haben das Thema Zeitarbeit genauer unter die Lupe genommen.
Zeitarbeit ist fast schon so etwas wie die Schauergeschichte unter den beruflichen Anekdoten. Fast jeder hat eine schreckenseinflößende Geschichte über schlechte Arbeitsbedingungen, gemeine Mitarbeiter und unbegründete Kündigungen auf Lager – mit dem Ergebnis, dass viele Arbeitnehmer beschließen: „Zeitarbeit ist für mich keine Option.“ Dabei kennen die meisten zwar die Geschichten über Arbeitnehmerüberlassungen, haben jedoch selbst nie Erfahrungen mit Zeitarbeit gesammelt. So verbreiten sich die schaurigen Geschichten über Arbeitnehmerüberlassungen ähnlich schnell wie andere Großstadtlegenden. Doch stimmt das überhaupt? Es gibt natürlich auch hier schwarze Schafe. Doch die gibt es auch unter Arbeitgebern, die keine Leiharbeiter beschäftigen. Auch sind die Gründe für die Vorwürfe, die den Arbeitnehmerüberlassungen gemacht werden, meist in den Betrieben zu finden, an die entliehen wurde, und nicht bei den Arbeitnehmerüberlassungen selbst.
Die Geschichte der Zeitarbeit
Viele sehen in dem Aufkommen von Zeitarbeitsfirmen einen Indikator dafür, dass sich der Arbeitsmarkt in den vergangenen Jahren fundamental verändert hätte. Um das zu klären, stellen sich zunächst einmal folgende Fragen: Woher stammt eigentlich die Idee der Zeitarbeit und handelt es sich dabei tatsächlich um ein neues Phänomen?
Ihren Ursprung hat die Zeitarbeit in den USA. Die Anwälte Elmer L. Winter und Aaron Scheinfeld hatten ein Problem: Es war unbearbeitete Post liegen geblieben, weil ihre Sekretärin erkrankt war. Doch sie fanden keinen temporären Ersatz bis zur Rückkehr der Sekretärin und eine weitere Sekretärin einzustellen, stellte keine Option dar. So war die Idee der Arbeitnehmerüberlassung geboren und sie gründeten 1948 die Firma Manpower Inc. Diese expandierte bald nach Europa; 1956 eröffneten Büros in Paris und London.
In Deutschland wurden ebenfalls früh die Weichen für Zeitarbeit gestellt. 1972 wurde schließlich das Gesetz zur Regelung der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung (kurz AÜG) verabschiedet, das noch heute die Rechtsgrundlage für die Zeitarbeit in Deutschland bildet. Zeitarbeit ist folglich kein neues Phänomen.
Wirtschaftsfaktor Zeitarbeit
Zeitarbeiter machen insgesamt nur rund 2 Prozent aller Erwerbstätigen in Deutschland aus. Wussten Sie, dass diese 2 Prozent im Jahre 2010 rund 15 Prozent des Wirtschaftswachstums erarbeitet haben und damit etwa jeden siebten Euro? Das kam zustande, weil Zeitarbeiter gerade in den Firmen verstärkt eingesetzt waren, die einen hohen Anteil am Aufschwung hatten und haben. Dadurch, dass diese Firmen in der Lage waren ihren Personaleinsatz flexibel und nach Bedarf zu planen, konnten sie Ihre Ressourcen gezielter einsetzen und so als Unternehmen wachsen. Der Effekt: So wird letztlich auch die Stammbelegschaft gesichert. Und ein wachsendes Unternehmen bedeutet, dass wiederum mehr Mitarbeiter gesucht werden!
Faktencheck Zeitarbeit
Nun werden viele sagen: Gut, Zeitarbeit mag nichts Neues sein, hat aber viele Probleme auf dem Arbeitsmarkt hervorgerufen, mit denen wir heute konfrontiert sind! Um das näher zu untersuchen, haben wir uns direkt an die Quelle begeben und einen Profi befragt.
Elena Wilms hat Wirtschaftspsychologie (B. Sc.) studiert und ist Geschäftsführerin des Personaldienstleisters Multicomplete. Hier ist die Zusammenführung von Arbeitnehmern und Arbeitgebern ihr daily business. Dabei ist es ihr stets ein besonderes Anliegen, die Zufriedenheit beider Seiten auch langfristig sicherzustellen und hierfür individuelle Lösungsstrategien zu entwickeln.
faktumblog: Viele Arbeitnehmer fühlen sich von Arbeitnehmerüberlassungen schlecht bezahlt und ausgebeutet. Entspricht das Ihrer Erfahrung nach im Vergleich zur Festanstellung bei einem Unternehmen überhaupt der Realität?
Elena Wilms: „In jeder Branche gibt es schwarze Schafe. Aber es gibt auch viele Arbeitnehmerüberlassungen, die freiwillig nach Tarif bezahlen oder einem Verbund angeschlossen sind. Das Gesetz sieht außerdem einige Regelungen vor, zum Beispiel das equal payment und equal treatment. Diese beiden Ansätze verfolgen, dass Zeitarbeiter dieselbe Bezahlung und selbe Behandlung erhalten wie jeder andere Mitarbeiter, der direkt beim jeweiligen Unternehmen angestellt ist.
Zu der schlechteren Bezahlung lässt sich sagen, dass der aktuelle Mindestlohn nach iGZ-Tarif bei € 9/Stunde liegt. Das ist sogar mehr als der deutschlandweite Mindestlohn bei einer Festanstellung! Hinzu kommen häufig sogar einsatzbezogene Zulagen, Weihnachts- und Urlaubsgeld, Branchenzuschläge und Fahrgelder. Von Ausbeutung kann da nicht die Rede sein.“
faktumblog: Wie erkennt man unter den Arbeitnehmerüberlassungen denn die schwarzen Schafe? Oder anders gefragt – woran erkennt man eine seriöse Arbeitnehmerüberlassung, worauf sollte man achten?
Elena Wilms: „Um ganz sicher zu gehen, sollte man sich ein Zeitarbeitsunternehmen suchen, welches einem Verband (z. B. dem iGZ) angeschlossen ist. Diese Unternehmen verpflichten sich, einen Ethik-Kodex einzuhalten und müssen das geltende Tarifwerk anwenden. Des Weiteren sollte darauf geachtet werden wie man bei Vorstellungsgesprächen behandelt wird und wie konkret die Informationen seitens des Zeitarbeitsunternehmens sind. Wird einem der vorgelegte Arbeitsvertrag auch detailliert erläutert? Werden offene Fragen geklärt?“
faktumblog: Welche Vorteile bietet ein Einsatz auf Zeit Ihrer Meinung nach?
Elena Wilms: „Ein Einsatz auf Zeit bietet die Möglichkeit, in verschiedene Unternehmen und Aufgabenbereiche reinzuschauen. Man sollte das auch immer als Chance sehen, in eine Festanstellung übernommen zu werden. Viele größere Unternehmen lagern ihr Recruiting auf externe Dienstleister aus und stellen sogar nur über Zeitarbeitsfirmen ein – und das dann mit dem Ziel, die jeweiligen Mitarbeiter nach 6 bis 12 Monaten zu übernehmen. Das passiert natürlich vor allem dann, wenn ein Mitarbeiter sich gut in das bereits bestehende Team integriert hat und die Chemie zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber stimmt – wie bei jedem anderen Arbeitgeber auch. Gerade im Niedriglohnsegment bietet Zeitarbeit Vorteile für Arbeitnehmer. Die eben erwähnten hohen Tariflöhne sind da schon ein großer Vorteil. Auch für Leute, die nicht wissen, in welchem Bereich sie Fuß fassen möchten, bietet die Zeitarbeit die Möglichkeit zur Selbstfindung.
Ein weiteres Plus für diejenigen, die besonderen Wert auf Freizeit und Urlaub legen: Zeitarbeitsverträge werden in der Regel mit einer 35 Stunden-Woche und im Kundenbetrieb mit einer 40 Stunden-Woche abgeschlossen. Die zusätzlich geleisteten Stunden können dann in der Regel durch Freizeitausgleiche abgebaut werden, sodass man unter Umständen sogar einige zusätzliche Urlaubstage im Jahr hat.“
faktumblog: Was würden Sie Arbeitsuchenden, die über Arbeitnehmerüberlassungen die Nase rümpfen, gerne mitteilen?
Elena Wilms: „Nehmen Sie die Chance wahr! Legen Sie einfach mal die Vorurteile beiseite und sammeln Sie eigene Erfahrungen! Bei der ganzen Diskussion sollte man auch nie vergessen, warum bestimmte Dinge so sind wie sie sind. Es sind nicht immer die bösen Zeitarbeitsunternehmen, die die Mitarbeiter von Einsatz zu Einsatz schicken. Für Zeitarbeitsunternehmen ist es nämlich auch einfacher und schöner, wenn die Mitarbeiter lange bei demselben Kunden eingesetzt werden können. Aber der Arbeitsmarkt gibt dies leider auch nicht immer her.“
faktumblog: Gibt es Branchen, in denen sich Zeitarbeit besonders lohnt?
Elena Wilms: „Im Helferbereich (z. B. im Bereich Lager/Logistik) lohnt sich die Zeitarbeit auf jeden Fall, um noch mal auf die höheren Tariflöhne zu sprechen zu kommen. Aber auch im akademischen Bereich lohnt es sich, Zeitarbeit in Anspruch zu nehmen, da es dort besonders häufig zu Übernahmen kommt – und das gegebenenfalls sogar bei Arbeitgebern, bei denen man z. B. als Berufseinsteiger nur geringe Chancen auf eine Anstellung gehabt hätte!“
faktumblog: Vielen Dank für das Gespräch!
Fassen wir einmal zusammen:
- Um sicherzustellen, dass man bei einer seriösen Arbeitnehmerüberlassung landet, sollte man überprüfen, ob diese nach Tarif bezahlen oder einem Verbund angeschlossen sind.
- Mit 9 Euro pro Stunde liegt der tarifliche Mindestlohn bei Zeitarbeit sogar über dem deutschlandweiten Mindestlohn bei Festanstellung!
- Hinzu kommen können verschiedene Zuschläge sowie Urlaubs- und Weihnachtsgeld, was bei Festanstellung nur noch selten der Fall ist.
- Geleistete Überstunden können abgebaut werden. Sollte dies beim Einsatzort nicht möglich sein, sollten Sie unbedingt mit Ihrer Verleihfirma in Kontakt treten und mögliche Alternativen klären.
- Besonders für gut ausgebildete Personen bietet sich hier eine hohe Chance auf Übernahme!
Aber es gibt durchaus noch mehr Vorurteile, die mit Zeitarbeit oft einhergehen. Nehmen wir diese also einmal genauer unter die Lupe:
Vorurteil 1: Arbeitgeber beschäftigen fast nur noch über Zeitarbeit
Der Eindruck mag leicht entstehen, gerade wenn es sich um Anlerntätigkeiten handelt. Doch tatsächlich sind nur zwischen 850.000 und 900.000 Arbeitnehmer über Zeitarbeit beschäftigt. Das scheint zunächst viel zu sein, tatsächlich stellen Zeitarbeiter damit aber bloß 2 Prozent aller Erwerbstätigen in Deutschland! Studien zufolge handelt es sich zudem bei rund der Hälfte der Stellen, die über Zeitarbeit vergeben werden, um zusätzliche Stellen. Das bedeutet, dass es ohne Zeitarbeit zwar mehr Festanstellungen geben würde, allerdings auch mehrere Hunderttausende, die ganz ohne Arbeit dastünden.
Vergessen Sie auch nicht, dass Sie bei Ihrer Zeitarbeitsfirma unbefristet angestellt sind, wohingegen normale Beschäftigungsverhältnis häufig befristet sind!
Vorurteil 2: Zeitarbeiter werden schlecht behandelt und ausgenutzt
Darauf hat die Verleihfirma nicht immer einen Einfluss. Nichtsdestotrotz bietet sich hier der Vorteil, dass Sie immer noch einen weiteren Ansprechpartner zur Verfügung haben, nämlich die Zeitarbeitsfirma selbst. Hier können Sie im Ernstfall auch einmal Rücksprache halten und gegebenenfalls den Einsatzort ändern.
Beachten Sie aber Folgendes: Es bedarf auch in einem regulären Beschäftigungsverhältnis Zeit und Geduld, sich erfolgreich in eine Firma und ein Team zu integrieren. Werfen Sie daher nicht allzu schnell die Flinte ins Korn, sondern versuchen Sie, proaktiv eine Lösung herbeizuführen, indem Sie auch mit Ihrem Vorgesetzten vor Ort das Gespräch suchen.
Vorurteil 3: Man wird meistens nicht vom Betrieb übernommen.
Zugegeben, Anlernkräfte haben es hier wie überall nicht ganz so leicht wie Fachpersonal. Das liegt vor allem daran, dass es sich hierbei um Tätigkeiten handelt, für die keine Fachkenntnisse erforderlich sind. In solchen Berufen kann man schnell angelernt werden. Hier kommt es also vor allem auf das richtige Mindset an, das heißt konkret: Was Sie an Fachkenntnissen einbüßen, müssen Sie durch Engagement und eine positive Einstellung wettmachen. Sorgen Sie dafür, dass Ihre Mitarbeiter gerne mit Ihnen zusammenarbeiten und Ihre Vorgesetzten Sie als engagierten Mitarbeiter wertschätzen! Auf diese Weise machen Sie sich weniger entbehrlich und ersetzbar.
Die Alternative: Drücken Sie noch einmal die Schulbank, holen Sie Ihren Schulabschluss nach, machen Sie eine Weiterbildung, beginnen Sie ein Fernstudium o. ä. Es gibt unzählige Möglichkeiten wie Sie sich weiterentwickeln können! Wenn Sie unzufrieden sind, sorgen Sie also dafür, dass sich Ihnen in Zukunft eine andere Alternative bietet statt durch Ihre Unzufriedenheit auch noch Ihre derzeitige Situation zu verschlechtern.
Generell gilt: Bei Fachkräften geht man von einer Übernahmequote von rund 30 Prozent aus. Dass diese Quote bei Anlernkräften niedriger ist, liegt wie schon erwähnt daran, dass es sich hier oft um zusätzliche Stellen handelt, die in besonders intensiven Zeiten, beispielsweise bei erhöhtem Produktionsaufkommen, zum Einsatz kommen. Geht die Anzahl der Aufträge dann wieder zurück, sinkt naturgemäß auch der Bedarf an zusätzlichen Mitarbeitern.
Vorurteil 4: Man ist immer nur für kurze Zeit beschäftigt.
Das ist durchaus nicht immer so. Viele Zeitarbeiter arbeiten dauerhaft in einem Unternehmen. Hier gibt es jedoch feste Vorgaben für die Dauer des Einsatzes, denn eine Arbeitnehmerüberlassung kann einen Mitarbeiter nur für einen gewissen Zeitraum an eine Firma verleihen. Dies ist gesetzlich festgelegt und momentan auf einen Zeitraum von 1,5 Jahren befristet. Danach muss der Arbeitnehmer dann von der jeweiligen Firma übernommen werden.
Ein großer Pluspunkt: Sieht die Firma davon ab, ist die Arbeitnehmerüberlassung zum einen dazu verpflichtet, eine andere Stelle zu finden, und zum anderen besteht für eine bestimmte Zeit ein Anrecht auf Lohnfortzahlung, sollte nicht gleich eine andere Tätigkeit gefunden werden.
Vorurteil 5: Wenn man krank ist, wird einem gekündigt
Grundsätzlich haben Sie bei einer Arbeitnehmerüberlassung die gleichen Rechte und Pflichten wie bei jedem anderen Arbeitgeber auch. Wichtig ist hier, dass Sie Ihren Pflichten nachkommen, also innerhalb der vertraglich vorgegeben Frist eine Krankmeldung einreichen. In aller Regel müssen Sie eine Krankmeldung auch bis zu einer bestimmten Uhrzeit am Tag des Ausfalls telefonisch ankündigen. Viele vernachlässigen jedoch diese Pflicht.
Begehen Sie auch nicht den Fehler, sich krankschreiben zu lassen, nur weil Sie sich an Ihrem Einsatzort nicht wohlfühlen. In diesem Fall ist das persönliche Gespräch immer die beste Alternative!
Fazit
Zeitarbeit hat ein schlechtes Image, bietet aber viele Vorzüge, ob Sie nun Anlerntätigkeiten nachgehen oder bereits Fachkraft sind. Nicht zuletzt bekommen Sie so unter Umständen die Möglichkeit, von einem großen Unternehmen übernommen zu werden, bei dem Ihre Bewerbung sonst in einem riesigen Stapel untergegangen wäre.
Zeitarbeit bietet aber vor allem die Möglichkeit, sich gegenseitig zu „beschnuppern“ – und diese Chance sollte man nutzen. Denn Ihr Vorteil im Vergleich zu einer regulären Anstellung ist immer, dass Sie, falls es doch nicht passen sollte, nicht völlig ohne Job dastehen, sondern gemeinsam mit Ihrer Zeitarbeitsfirma nach einer Lösung suchen können. Probieren Sie es daher einfach einmal aus! Mit unseren Tipps werden Sie erkennen, ob es sich um eine seriöse Arbeitnehmerüberlassung handelt oder nicht.